Gemeinde Niederkrüchten will an Demokratie sparenÂ
29. Oktober 2021
- Bürgerentscheide sollen zukünftig nur noch per Briefwahl stattfinden
 - Mehr Demokratie kritisiert: Abstimmungen sind keine Wahlen zweiter Klasse
In Niederkrüchten könnte es bald zu einem Bürgerentscheid kommen, eine Initiative sammelt Unterschriften für den Erhalt des örtlichen Freibades. Jetzt plant der Rat der Gemeinde, die Beteiligungsmöglichkeiten einzuschränken. Zukünftig sollen Bürgerentscheide ausschließlich per Briefwahl durchgeführt werden, eine Abstimmung im Wahllokal ist nicht mehr vorgesehen. Das geht aus einer entsprechenden Beschlussvorlage der Verwaltung hervor. Der Fachverband »#Mehr #Demokratie« warnt vor einem Demokratie-Abbau in Niederkrüchten. »Abstimmungen sind keine Wahlen zweiter Klasse. Bürgerentscheide sollten genauso ernst genommen werden!«, so Achim Wölfel, Leiter des Landesbüros #NRW von »Mehr Demokratie«. Außerdem erhöhe eine Kombination aus Brief- und Urnenabstimmung die Abstimmungsbeteiligung.
Die in der Beschlussvorlage genannten Argumente für eine Abschaffung der Urnenwahl hält Wölfel für wenig überzeugend. So wird diese mit der gestiegenen Beliebtheit der Briefwahl begründet, die bei der Bundestagswahl diesen September rund 46 Prozent der abgegebenen Stimmen ausmachte. Laut Wölfel hätten damit immer noch mehr als die Hälfte der Bürger im Wahllokal abgestimmt und auch das sollte respektiert werden. Weiterhin wird in der Beschlussvorlage auf die hohen Kosten einer Urnenwahl verwiesen. Mit diesem Argument ließen sich laut Wölfel jedoch nahezu alle Beteiligungsmöglichkeiten abschaffen. »Demokratie kostet Geld, das ist völlig klar. Das sollte uns unsere Demokratie aber auch wert sein. In vielen Teilen der Welt werden wir für diese bewundert«, so Wölfel.Â
Gänzlich unerwähnt bleibe in der Beschlussvorlage laut Wölfel der Umstand, dass bei einer reinen Briefwahl voraussichtlich auch die Abstimmungsbeteiligung zurückgehen werde. Das sei besonders brisant, da im Jahr 2015 schon einmal ein Bürgerentscheid in Niederkrüchten »unecht«, also an einer zu geringen Abstimmungsbeteiligung scheiterte. Bei einem Bürgerentscheid über einen Supermarkt-Standort sprach sich zwar eine Mehrheit der Abstimmenden für das Bürgerbegehren aus, die Abstimmung scheiterte jedoch, da diese Mehrheit nicht dem geltenden Zustimmungsquorum von 20 Prozent entsprach. »Am Ende sollten nicht diejenigen entscheiden, die einer Abstimmung fernbleiben. Deshalb ist es höchste Zeit, dass das Zustimmungsquorum abgeschafft wird, nicht aber die Möglichkeit der Stimmabgabe im Wahllokal!«, so Wölfel.Â
Verbesserungsbedarf bei den Regeln für Bürgerentscheide sieht Wölfel auch an anderer Stelle. Bislang ist es so, dass Bürger ihre Abstimmungsbenachrichtigung erhalten und erst dann ihre Abstimmungsunterlagen beantragen können. Aus Sicht von Mehr Demokratie wäre eine automatische Zusendung der Unterlagen mit der Benachrichtigung besser. »Die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen sollte den Bürgerinnen und Bürgern so einfach wie möglich gemacht werden«, so Wölfel. Eine automatische Zusendung wirke sich laut Wölfel auch auf die Abstimmungsbeteiligung aus, die so deutlich erhöht werden könne.
Mehr Demokratie hat im vergangenen Jahr eine aktualisierte und überarbeitete Mustersatzung über die Durchführung von Bürgerentscheiden veröffentlicht, an der sich Kommunen und Kreise orientieren können. Darin werden alle Fragen rund um die Abstimmungsbedingungen bei einem Bürgerentscheid geregelt.