Brüssel (ots) Die Geschäftsmodelle lokaler Medien und ihre Unabhängigkeit sind durch den beschleunigten Übergang zu digitalen Vertriebskanälen, veränderte Nutzergewohnheiten und sinkende Werbeeinnahmen gefährdet. Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) begrüßt daher den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Aktionsplan, betont jedoch, dass die alarmierende Finanzlage lokaler und regionaler Medien noch stärker berücksichtigt werden muss. In einem politischen Mehrebenensystem wie der europäischen Demokratie sind kleinere Lokalmedien, die direkt mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger vertraut sind, von entscheidender Bedeutung, um demokratische Kontrolle und Legitimität zu gewährleisten - so heißt es in der Stellungnahme des Berichterstatters Jan Trei (EE/EVP), Mitglied des Gemeinderates von Viimsi, die auf der AdR-Plenartagung im Mai vorgestellt wurde.
Als Eckpfeiler einer gesunden und nachhaltigen Demokratie bieten pluralistische Medienlandschaften den Bürgerinnen und Bürgern verlässliche Informationen und Plattformen für offene politische Debatten. Allerdings werden die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien in ganz Europa durch kommerziellen Druck und ein sich rasch veränderndes technologisches Umfeld bedroht.
Daher forderten die AdR-Mitglieder unter Bezugnahme auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union mehr finanzielle Unterstützung und begrüßten den Plan der Kommission, die Unterstützung für den audiovisuellen und den Nachrichtenmediensektor in dem branchenübergreifenden Aktionsbereich des Programms Kreatives Europa 2021-2027 effizienter zu gestalten. Die finanzielle Unterstützung soll auf eine Weise gewährt werden, die Freiheit und Medienpluralismus achtet und fördert.
Gerry Woop(DE/SPE), Berliner Europastaatssekretär, sagte: "Wir müssen die lokalen und regionalen Medien bei der digitalen Transformation nachhaltig unterstützen. Blieben sie auf der Strecke, würde dies dem Medienpluralismus in Europa dauerhaften Schaden zufügen. Gerade die COVID-19-Pandemie hat noch einmal die Bedeutung eines starken Mediensektors verdeutlicht. Wir brauchen unabhängige Medien, die auch in Krisensituationen in der Lage sind, die Bevölkerung mit faktenbasierten Informationen zu versorgen. Dabei dürfen wir uns nicht nur auf die größten und reichweitenstärksten Akteure verlassen. Gerade die lokalen und regionalen Medien spielen für das öffentliche Leben und die politische Debatte eine wichtige Rolle."
AdR-Berichterstatter Jan Trei (EE/EVP), Mitglied des Gemeinderates von Viimsi, betonte: "Die COVID-19-Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig starke Medien als Institutionen sind, die die Gesellschaft faktengestützt und ausgewogen informieren, um eine offene Debatte zu ermöglichen. Gleichzeitig hat die durch die Krise verursachte Rezession die Möglichkeiten der Medien beschnitten, ihrer Verantwortung nachzukommen. Damit es auf allen Ebenen weiterhin eine qualitativ hochwertige Medienberichterstattung gibt, sind Unterstützungsmaßnahmen erforderlich. Insbesondere gilt es, das Überleben lokaler und regionaler Medienunternehmen zu sichern. Dabei müssen die besonderen Gegebenheiten kleiner Länder berücksichtigt werden, in denen die Ressourcen für lokale und regionale Medien aufgrund der geringen Größe des Marktes begrenzt sind."
In seiner Stellungnahme weist Jan Trei darauf hin, dass bei künftigen Rechtsvorschriften und Fördermaßnahmen je nach der wirtschaftlichen Lage der lokalen und regionalen Medien differenziert vorgegangen werden muss. Große nationale und europäische Medienunternehmen werden derzeit mit der externen Konkurrenz durch amerikanische Technologieriesen und die Plattformwirtschaft konfrontiert - dieses Problem sollte durch die Anwendung des neuen Gesetzespakets über digitale Dienste gelöst werden. Ganz anders sehen hingegen die Herausforderungen für kleinere lokale Zeitungen und Radiosender aus: Da sie ein begrenztes Publikum in einem bestimmten geographischen Gebiet bedienen, verfügen sie häufig auch nur über ein eingeschränktes Wachstumspotenzial. Um das Entstehen von "Nachrichten-Wüsten" in dünn besiedelten Gebieten zu verhindern, sollten die öffentlich-rechtlichen Medien ihre regionale Berichterstattung erweitern und für das Publikum über ein breites Spektrum von Kommunikationskanälen zugänglich bleiben.
"Das Fehlen eines ausreichenden rechtlichen, regulatorischen und politischen Rahmens im digitalen Ökosystem behinderte den erfolgreichen Übergang für den Mediensektor bereits vor dem COVID-19-Ausbruch. Die lokalen und regionalen Medien sind in einer besonders schwierigen Lage. Wir brauchen eine umfassende Strategie, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des europäischen Mediensektors wiederherzustellen. Wir müssen europäischen Medienunternehmen bei der Erholung helfen, gleiche Wettbewerbsbedingungen für sie und neue Marktteilnehmer gewährleisten und ihren Wandel unterstützen", so Dace Melbarde (LV/EKR), stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments, die an der Plenardebatte teilnahm.
Die Stellungnahme wird von den Mitgliedern des Europäischen Ausschusses der Regionen am 7. Mai per elektronischer Abstimmung offiziell verabschiedet.