Berlin/London (ots) Save the Children beteiligt sich offiziell an dem von Kindern und Jugendlichen angestoßenen Klima-Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die internationale Kinderrechtsorganisation tritt als Drittbeteiligter auf, um sechs junge Menschen aus Portugal in ihrer Klage gegen 33 Staaten, darunter Deutschland, zu unterstützen. Das Engagement der Klagenden im Alter zwischen 9 und 22 Jahren geht auf die tödlichen Waldbrändein Portugal im Sommer und Herbst 2017 zurück, bei denen mehr als hundert Menschen starben. Den heftigen Feuern war eine Hitzewelle vorausgegangen. Experten sagen vorher, dass Hitzewellen in Portugal zunehmen werden, weshalb die Gefahr derartiger Brandkatastrophen steigt. Die sechs Kinder und Jugendlichen reichten im September 2020 ihre Beschwerde vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) ein. Darin warfen sie den 27 EU-Staaten und sechs weiteren Ländern vor, gegen die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zu verstoßen, weil sie keine angemessenen Maßnahmen ergreifen würden, um die den globalen Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Sie argumentierten auch, dass die Untätigkeit der 33 Länder ihr Recht auf Leben und auf eine gesunde Umwelt bedroht, wie sie nach europäischem Recht garantiert sind. »Die Klimakrise ist auch eine Kinderrechtskrise«, sagt Martina Dase, Kommunikationsdirektorin und Sprecherin für Klimaschutz bei Save the Children Deutschland. »Viel zu lange wurden die Rechte der künftigen Generationen in der Klimapolitik missachtet. Was Aufgabe der Erwachsenen wäre, nehmen Kinder jetzt selbst in die Hand. Während die Welt kollektiv versagt, nehmen Kinder Regierungen in die Pflicht und kämpfen für Klimagerechtigkeit – auf der Straße, aber auch vor Gericht. Das ist zutiefst beeindruckend. Als Drittbeteiligte in diesem bahnbrechenden Prozess stehen wir diesen jungen Menschen zur Seite, die sich stellvertretend für alle Kinder auf der Welt für ihr Recht auf eine gesunde Zukunft einsetzen.« Wie überfällig es ist, das Ruder beim Klimawandel herumzureißen, ist klar erkennbar, wie Save the Children betont: Die globalen Durchschnittstemperaturen liegen bereits mehr als ein Grad über dem vorindustriellen Niveau. Auch haben die Wetterextreme zugenommen. Dürren und Starkregen machen sich in immer mehr Weltregionen breit, die Folgen sind Ernteausfälle, Armut und Hunger – mit verheerenden Folgen für alle Lebensbereiche der Kinder. Save the Children ist mit den Folgen der Klimakrise für Kinder an zahllosen Einsatzorten schon heute konfrontiert. Der Status von Save the Children als Drittbeteiligter bedeutet, dass die Organisation vor dem Gericht die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kinderrechte darlegen wird. Die internationale Kinderrechtsorganisation argumentiert: Der Klimawandel ist eine generationsübergreifende Krise. Ohne ehrgeizigere Maßnahmen sind das Überleben, die Entwicklung und die Bildung von Kindern stark gefährdet. Angesichts der systemischen Bedrohung durch den Klimawandel und seiner tiefgreifenden Folgen für die am meisten gefährdeten und marginalisierten Kinder müssen deren Rechte sofort geschützt werden. Das Wohl der Kinder sollte im Zentrum aller Entscheidungen zum Klimaschutz stehen. Kinder müssen angehört werden. Sie haben am wenigsten zur Klimakrise beigetragen, werden aber am meisten darunter leiden. »Die Welt muss endlich auf die Kinder hören und ihre Führungsrolle in der Klimabewegung anerkennen«, sagt Ulrika Cilliers, Globale Politikdirektorin bei Save the Children International. »Die Regierungen müssen Kinder aktiv in die Entscheidungsprozesse einbinden und ihre Vorschläge beachten. Dies gilt insbesondere für die am meisten marginalisierten und verletzlichen Kinder.« Martina Dase ergänzt: "Vor über 100 Jahren verfasste unsere Gründerin, die Aktivistin Eglantyne Jebb, die Kinderrechte, die später in die UN-Kinderrechtskonvention einflossen. Dass Kinder diese Rechte jetzt selbst einfordern, zeigt nur, wie brennend die Klimakrise ist und rüttelt die Weltgemeinschaft hoffentlich endlich wach." Beim G-20-Jugendgipfel in Mailand Ende Juli werden Kinder und Jugendliche Gelegenheit haben, auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Save the Children fordert, dass Kinder stärker in allen wichtigen Klimaberatungen vertreten sein sollen, auch bei der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow (COP26). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann Dritten erlauben, in seinen Fällen zu intervenieren. Dies ermöglicht es Parteien, die über einschlägige Erfahrungen und Fachkenntnisse verfügen, den Gerichtshof bei seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen. Ein Drittbeteiligter ist weder Antragsteller noch Antragsgegner in dem Verfahren. In diesem Fall hat das Gericht dem Antrag von Save the Children stattgegeben, eine schriftliche Stellungnahme zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kinderrechten abzugeben. Über Save the Children Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet. Eine Welt, in der alle Kinder gesund und sicher leben und frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können – seit mehr als 100 Jahren.