Die duale Ausbildung gilt Weltweit als Erfolgsmodell, an dem sich andere Länder orientieren. Doch die Corona-Krise hat den Ausbildungsmarkt schwer getroffen und hinterlässt deutliche Spuren. Die Zahlen darüber, wie es um den Ausbildungsmarkt in NRW steht, sind eindeutig. Es wurden noch nie so wenige Ausbildungsverträge abgeschlossen wie aktuell. Ein halbes Jahr vor dem Start des Ausbildungsjahres haben Unternehmen 84.797 Ausbildungsplätze gemeldet, 6.417 oder sieben Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Auch bei den Bewerberinnen und Bewerbern ist ein Corona-Effekt zu beobachten: Bis Ende März hatten sich 81.500 junge Menschen und damit 8.334 Jugendliche oder 9,3 Prozent weniger als vor einem Jahr für einen Ausbildungsplatz gemeldet.
Auch in OWL hat sich, im Vergleich zum Vorjahr, die Ausbildungsplatzsituation verschlechtert. Die Anzahl abgeschlossener Ausbildungsverträge wurde deutlich weniger: Im Kreis Lippe um 14 Prozent; im Kreis Paderborn und im Kreis Höxter um 18 Prozent; im Agenturbezirk Bielefeld-Gütersloh (Kreis Gütersloh und der Stadt Bielefeld) um knapp elf Prozent; im Agenturbezirk Herford (Kreis Herford und Kreis Minden-Lübbecke) um elf Prozent.
»Die derzeitige Entwicklung macht uns sehr große Sorgen. Die Gewerkschaften haben mehrmals davor gewarnt, dass unvermeidbare Langzeitschäden die Folge sein könnten. Dennoch geht dieser Trend leider so weiter«, so Vahit Uyar, Jugendbildungsreferent der DGB-Jugend OWL. »Das Anliegen der Gewerkschaftsjugend ist die Qualität der dualen Ausbildung zu verbessern und zu fördern. Was wir aber derzeit erleben ist ein großer Rückschritt. Ein mögliches Worst-Case-Szenario können wir uns sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich nicht leisten. Da müssen sich alle Akteure angesprochen fühlen. Dazu gehört auch, dass Unternehmen mehr Solidarität mit Bewerbern zeigen müssen. Es kann nicht sein, dass aufgrund zu hoher Ansprüche vermeintlich schwächere Bewerber abgelehnt werden. Sie müssen die Bereitschaft zeigen, jungen Menschen eine Chance zu geben.«
Bereits vor Corona wurde vielen jungen Menschen eine berufliche Perspektive verwehrt. So blieb jeder dritte Jugendliche mit Hauptschulabschluss ohne Ausbildung. Durch die Pandemie hat sich das Problem verschärft, sodass irreparable Schäden für die berufliche Bildung die Folge sein könnten. »Vor allem junge Menschen mit niedrigen oder mittleren Schulabschlüssen sowie Jugendliche aus Einwandererfamilien drohen zu den Verlierern der Krise zu werden«, warnt Anke Unger, DGB-Regionsgeschäftsführerin.
Fehlende Ausbildungsplätze und rückläufige Bewerberzahlen führen zu einem absehbaren Fachkräftemangel. Um dies zu verhindern müssen Betriebe und Unternehmen in eine gute Ausbildung junger Menschen investieren. Der DGB spricht sich für eine strukturelle Änderung in Form einer Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Österreichs aus. Das Modell sieht den Ausbau außerbetrieblicher Ausbildungsmöglichkeiten vor. Dadurch sollen Jugendlichen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen haben, der Einstieg in das erste Ausbildungsjahr in einer außerbetrieblichen Ausbildung angeboten werden. »Österreich ist mit dem Modell der Ausbildungsgarantie seit mehreren Jahren erfolgreich unterwegs. Also warum setzten wir dieses Modell nicht auch bei uns in Deutschland um!«, so Anke Unger.