»Die Natur ist die beste Apotheke«, wusste schon Sebastian Kneipp vor mehr als 120 Jahren. Sein Gesundheitskonzept wurde stetig und auf Basis neuester wissenschaftlicher Forschungsergebnisse weiterentwickelt und umfasst heute fünf Elemente: Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen und Lebensordnung. Hinter diesem ganzheitlichen Ansatz verbirgt sich die Erkenntnis, dass ein richtig funktionierendes Immunsystem, eine umfassende körperliche Fitness und eine gute Stressresistenz wichtig für die Selbstheilungskräfte sind, mit denen die Widerstandsfähigkeit gestärkt wird.«
Sebastian Kneipps Erkenntnisse sind heute aktueller denn je: Es sei »[.…] kein Wunder, wenn Krankheiten so viele Opfer fordern, denn die Menschheit ist weit von der früheren, einfachen, natürlichen Lebensweise abgewichen. Nicht etwa, dass die Errungenschaften unserer Zeit wieder geopfert werden müssten, aber es muss ein Ausgleich gefunden werden, um die überanstrengten Nerven zu stärken, ihre Kraft zu erhalten. Es muss das Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Arbeit und der Lebensweise.«
An der Notwendigkeit und der Aktualität dieser Aufforderung hat sich – leider – nichts geändert. Deshalb ist es wichtiger denn je, einen Ausgleich zu finden – um Körper und Seele in Balance halten zu können.
Sebastian Kneipp war nicht nur Menschenfreund und Visionär; wie kein anderer hat er den Präventionsgedanken gelebt und bereits damals überregional bekannt gemacht. Viele Menschen denken über Gesundheit erst nach, wenn es an ihr fehlt. Dabei hat uns Kneipp ein Gesundheitssystem hinterlassen, mit dem es jedem leichtfallen sollte, die eigene Gesundheit zu fördern und Krankheiten zu verhindern.
Im Hinblick auf Sebastian Kneipps 200. Geburtstag hat der Kneipp-Bund das Jahr 2021 zum „Kneipp-Jahr“ ausgerufen. Kneipps Beitrag zum deutschen Gesundheitswesen, zur deutschen Kultur und zur Ausprägung des Präventionsbegriffes soll angemessen gewürdigt werden. So soll nun das Bewusstsein für die eigene Gesundheit im Vordergrund stehen, wie auch die zwischenmenschlichen, sozialen und ökologischen Aspekte, die damit einhergehen.
Mit Aktionen und Kampagnen wird der Kneipp-Bund gemeinsam mit allen Kneipp-Vereinen auf das besondere Jahr hinarbeiten – auch um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken und Aufklärungsarbeit in Sachen Prävention zu betreiben.
Mehr Informationen unter www.kneipp2021.de
Das Behandlungsspektrum der fünf Elemente der Kneipp-Therapie ist immens – neben dem Aspekt der Prävention können viele gesundheitliche Beschwerden auch geheilt oder Schmerzen gelindert werden. Dies bedeutet besonders im Hinblick auf die besorgniserregende Zunahme der sogenannten Zivilisationskrankheiten ein enormes Potenzial. Bei bereits bestehenden Krankheitsbildern sollte aber stets zwingend mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten werden. So kann die naturheilkundlich erweiterte Medizin einen Beitrag dazu leisten, das steigende Bedürfnis der Menschen nach sanfter, natürlicher Medizin zu unterstützen, indem sie bei ihren Empfehlungen auch auf naturheilkundliche Maßnahmen zurückgreift und eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen vornimmt.
Die fünf Elemente der klassischen Naturheilkunde nach Kneipp
Sämtliche Anwendungsmöglichkeiten an dieser Stelle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Alleine im Bereich der Hydrotherapie gibt es um die 120 verschiedenen Anwendungen. Das Wassertreten und die Kneipp-Güsse sind aber nach wie vor die wohl bekanntesten Komponenten der Kneippschen Naturheilverfahren. Die Hydro- oder Wassertherapie ist eine Reiztherapie mit kalten sowie ergänzend auch warmen Wasseranwendungen, sie dient der Stärkung des Immunsystems und der Abhärtung gegen Stress. Sie ist bei verschiedenen akuten und chronischen Erkrankungen bewährt. Dazu gehören beispielsweise die Behandlungen mit Waschungen, Wassertreten, Bäder, Güsse, Auflagen und Wickel.
Das Zusammenspiel der fünf Elemente
Kneipp ist aber viel mehr als »nur Wasser«: Zum Element Bewegung gehören alle Formen der körperlichen Aktivität, die den Bewegungsapparat unterstützen und Herz und Kreislauf, aber auch Stoffwechsel und Nerven harmonisieren. Im Bereich der Ernährung propagieren wir eine bedarfsgerechte, vollwertige und möglichst naturbelassene Kost als wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden. Die Ordnungstherapie nach Kneipp befasst sich mit den Themen Lebens- und Zeitordnung, Gesundheitserziehung und Psychohygiene. Sie vermittelt die für ein gesundes Leben erforderlichen Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Seele. Hierzu zählen auch Kurse aus der Mind-Body-Medizin, besonders solche im Bereich der Achtsamkeit. Heilkräuter sind wichtige Helfer bei Alltagsbeschwerden und bei der Behandlung von Krankheiten. Sie können dazu beitragen, bestimmte chemische Medikamente, darunter Schlaf- und Beruhigungs-, Verdauungs- oder Schmerzmittel, einzusparen, in ihrer Dosis zu verringern oder sogar zu ersetzen.
Wissenschaftliche Evidenz
Während in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts die Kneipptherapie als wissenschaftlich gut untersucht galt, sind nach der heutigen Sichtweise klinische Studien an Patienten im Sinne der Evidence based Medicine notwendig. Hierzu besteht für die Kneippsche Hydrotherapie Nachholbedarf: Es ist ungeklärt, wie lange eine Wasserkur bei verschiedenen Krankheiten durchgeführt werden muss, um gut zu wirken, wie häufig die Anwendungen fortgesetzt werden müssen, um den Erfolg herbeizuführen bzw. zu erhalten – ferner welche Anwendungen an welchen Körperteilen eventuell besonders vorteilhaft sind. Deutlich besser untersucht sind bestimmte Ernährungsweisen und Ernährungsumstellungen, gesundheitssportliche Programme, Mind-Body-Programme wie Entspannungsverfahren. Es scheint plausibel, dass gleichzeitig durchgeführte Programme mit mehreren Naturheilverfahren noch viel wirksamer sind – hierzu liegen aber nur wenige Studien über kombinierte Programme aus Ernährung, Bewegung und Ordnung vor. Mit einfachen Studien zu bestimmten Anwendungen wie Kohlblattauflagen bei Arthrose des Kniegelenks konnten die volksmedizinischen Erfahrungen bestätigt werden. Gerade an diesem letzten Beispiel zeigt sich ein aktuelles Dilemma: Es handelt sich ja um jahrhundertealte, traditionell „bewährte“ Heilverfahren oder auch „Hausmittel“; für deren klinischen Wirksamkeitsnachweis fehlen aber meist Auftraggeber, die diese Forschung finanzieren und damit dazu beitragen, dass die alten Hausmittel in der Praxis der modernen Medizin angemessen Berücksichtigung finden. Staatlicherseits gibt es keinerlei Förderung von solchen klinischen Studien, während alle möglichen Laborstudien auch solche mit irgendwelchen Heilpflanzen durchaus gefördert werden – in der vagen Hoffnung daraus chemische Substanzen für neue chemische Arzneimittel zu finden.
In einer von 2010 bis 2015 durchgeführten »Kneipp-Pflegestudie« wurde gezeigt, dass Kneippsche Naturheilverfahren gut in den Pflegealltag integrierbar sind und sich positiv auf die Gesundheit von Pflegebedürftigen und Pflegenden auswirken können. In den „Vom Kneipp-Bund e.V. anerkannten Senioreneinrichtungen“ wurden laut Studie weniger Bedarfsmedikamente als in den anderen Pflegeheimen eingesetzt, herausforderndes Verhalten von demenzkranken Menschen kam mit naturheilkundlichen Maßnahmen seltener vor. Dies kann wiederum das Stressniveau bei Pflegekräften senken. Eine hohe Anwendungsfrequenz von gesundheitsfördernden Maßnahmen im Pflegealltag kann die Lebensqualität und die Gesundheit von Bewohnern in Seniorenwohnheimen verbessern und die Belastung von Pflegenden verringern.
Diese Feststellung unterstreicht, dass sich »ein Leben nach Kneipp« auch positiv auf die Psyche auswirkt: Die seelische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesundheitskonzeptes. Im Mittelpunkt steht der Prozess, die seelische Gesundheit in der Balance zu halten. Kneipp erkannte: »Erst, als man den Zustand ihrer Seele kannte und da Ordnung hineinbrachte, ging es mit dem körperlichen Leiden auch besser.«
Kneippen Zuhause – aber richtig!
Natürlich können Kneipp-Anwendungen auch Zuhause praktiziert werden. Allerdings muss unbedingt darauf geachtet werden, die Anwendungen sach- und fachgerecht auszuführen, damit nicht ungewollt ein gegenteiliger Effekt erzeugt wird, vor allem zu langandauernde Kaltanwendungen sind zu vermeiden. Die einschlägige Fachliteratur kann hierfür eine gute Orientierungshilfe sein. Auch sollte darauf geachtet werden, zwischen verschiedenen Kneipp-Anwendungen einen Zeitabstand von einigen Stunden einzuhalten.
So kann der Kneippsche Knieguss mit kaltem Wasser gut nach der morgendlichen Dusche durchgeführt werden, um morgens gleich Kreislauf und Stress-system zu trainieren. Das Armbad gilt ebenfalls als die »Tasse Kaffee des Kneippianers« und erfrischt bei nachmittäglicher Abgeschlagenheit und Müdigkeit, denn es fördert die Durchblutung von Armen, Herz und Lunge. Der kalte Gesichtsguss wiederum ist beliebt als »Kneippscher Schönheitsguss«. Er wirkt nicht nur belebend, schenkt ein frisches Aussehen und fördert die Durchblutung der Haut, sondern kann auch bei Kopfschmerzen, müden Augen und Erschöpfung helfen.