Am Montag, 17. Mai 2021, fielen in der Gütersloher Innenstadt mit blauer Farbe beschmierte sogenannte »Stolpersteine« auf. Die Polizei sucht Zeugen. Gegen 11.10 Uhr wurde die Leitstelle der Polizei Gütersloh darüber informiert, dass die im Boden eingelassenen Steine in der Feldstraße beschmiert worden sind. Diese befinden sich auf dem Gehweg vor dem Haus Nummer 27. Die Pflastersteine aus Metall erinnern an Opfer des Holocausts, die an dieser Adresse gewohnt haben.
Der Staatsschutz Bielefeld bittet darum, Hinweise auf mögliche Täter oder verdächtige Beobachtungen am Wochenende vom 14. bis zum 17. Mai 2021 in der Nähe des Tatortes unter Telefon (0521) 545-0 zu melden.
Zuletzt waren im Kreis Gütersloh im April drei antisemitische Straftaten registriert worden. Dabei wurden Aufkleber mit dem Davidstern und der Aufschrift »ungeimpft« an Bäckereien festgestellt.
Der Gütersloher Künstler Manfred Makoswski hatte am Dienstag mit Farblöser, Baumwolltuch und Messingpflege die blaue Farbe beseitigt, nachdem er in einer Zeitung über die Schändung der »Stolpersteine« gelesen hatte. Für ihn sei der Gedanke unerträglich, dass dieser Zustand tagelang anhielte, schilderte der 52-Jährige, der aktuell mit Jugendlichen der Anne-Frank-Schule ein Erinnerungsprojekt für jüdische Familien aus Gütersloh erarbeitet.
Kommentar
Man könnte auf die Idee kommen, dass solche Täter geistesgestört sind. Zumindest jedoch sind sie psychisch auffällig. Denn so eine Tat bedeutet, dass derjenige, der sie begeht, nicht begreift, was er da tut. Er beschmutzt das Andenken an Opfer eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Wenn nicht des größten überhaupt. Auf jeden Fall ist der Holocaust singulär.
Und es stellt sich die Frage, weshalb sich jemand genötigt sieht, so etwas zu tun. Was will er damit erreichen? Auf jeden Fall ist er feige, denn er tut es anonym. Man könnte an Anhänger von Leuten wie Alexander Gauland denken, der das Dritte Reich als »Vogelschiss« in der Geschichte Deutschlands bezeichnet hat und mit dieser unsäglichen Aussage durchgekommen und davongekommen ist. Eigentlich sollte man meinen, dass jemand, der so etwas öffentlich absondert, umgehend in psychiatrische Behandlung und bestraft gehört. Weder das eine noch das andere ist jedoch passiert. Im Gegenteil geht der Mann im Deutschen Bundestag ein und aus, ohne, dass alle anständigen Abgeordneten geschlossen den Saal verlassen. DIe Partei, der er angehört, wird sogar gewählt. Auch in Gütersloh.
Wer beispielsweise wirklich empört war, ist überraschenderweise ein anderes Mitglied dieser Partei: Alice Weidel. Sie war empört, als sie von einem Journalisten in einem Fernsehinterview gefragt wurde, ob die Sozialpolitik der AFD nicht »sozialnationalistisch« sei. Sie beharrte darauf, der Journalist habe »nationalsozialistisch« gesagt und brach das Interview ab. Schlimm genug, dass überhaupt jemand mit solchen Leuten spricht, der nicht beispielsweise Richter, Gefängnisaufseher oder Psychiater ist. Oder von der Polizei oder vom Staatsschutz. Es gibt im Internet ein passendes Meme: Es sagt sinngemäß, man könne mit Nazis sprechen, es käme auf das Setting an, und es zeigt ein Bild von den Nürnberger Prozessen und der Anklagebank.
Manche sagen nun: »Ach, die AFD. Das muss eine Demokratie aushalten«. Nein, muss sie nicht. Sie sagen: »Die AFD sagt auch richtige Dinge! Dinge, die manche Leute denken. Man muss das auch ernstnehmen, man muss ihnen zuhören, man muss mit ihnen reden.« Das sind Leute, die auch sagen, Hitler habe ja auch Gutes getan. Die Nazis seien beispielsweise Tierfreunde gewesen. Oder Hitler habe Autobahnen gebaut (die sind aber nicht auf seinem Mist gewachsen). Natürlich. Auch ein Mörder mordet nicht 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche. Was man in Wirklichkeit tun müsste: Solche Leute isolieren, vor die Wand laufen lassen, sie belehren. Denn Zivilisation lebt von gegenseitiger Kontrolle und Korrektur.
Es werden immer wieder Dinge gesagt, wie »Keine Handbreit den Faschisten« oder »Wir dulden so etwas nicht«. Doch, tun wir – wie man sieht. Allenthalben. Die AFD sitzt in den Parlamenten, AFD-Leute tauchen in den Medien auf, sie sind mitten unter uns. Auch hier kursiert im Internet ein guter Spruch: »Die Zahlen sinken, aber es ist noch zu früh, die Maßnahmen zu lockern«.