Deutschrap ist aus dem Alltag vieler Jugendlicher und junger Erwachsener nicht mehr wegzudenken. Dabei stehen aktuell besonders die Inhalte des deutschen Gangsta-Rap in der Diskussion. Eine Studie der Universität Bielefeld zeigte erst kürzlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Gangsta-Rap und antisemitischen Einstellungen gibt. Die Bielefelder Bildungsstätte Haus Neuland veranstaltet bereits seit 2019 im Rahmen des Projektes #HEIMAT reloaded regelmäßig Feriencamps, in denen Jugendliche die Inhalte des Deutschrap genauer unter die Lupe nehmen. Durch die kritische Auseinandersetzung mit den Songtexten lernen sie, ihre eigenen Haltungen zu hinterfragen. Auch 2021 sind erneut je ein Camp in den Sommerferien (26. bis 30. Juli) und den Herbstferien (18. bis 22. Oktober) geplant. Die Feriencamps werden von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert. Nähere Infos zum Projekt und den Feriencamps gibt es auf der Homepage www.haus- neuland.de. Zudem können sich Interessierte auch direkt per Mail an die Projektkoordination wenden. Mit Projektkoordinator Daniel Marchand hat Haus Neuland vorab ein Interview geführt. Darin gibt der Politikwissenschaftler einen Einblick in die Inhalte der Feriencamps und erklärt, wie politische Bildung und Deutschrap zusammenpassen. Drei Fragen an Projektkoordinator Daniel Marchand Haus Neuland veranstaltet für Jugendliche und junge Erwachsene regelmäßig Feriencamps zum Thema »Deutschrap«. Wie passen Deutschrap und politische Bildung zusammen? Wir finden sehr viele gesellschaftlich relevante Themen, die der Deutschrap anspricht– jedoch nicht immer in einem aufklärerischen oder positiven Sinne. Wenn ich Songs habe, die vor Sexismus und Machismo nur so triefen, kann ich das aber im Bildungskontext aufgreifen, indem ich mir mit den Jugendlichen die Texte sowie Musikvideos anschaue und diskutiere. Oft ist es ja auch so, dass ein eingängiger Beat vieles verdeckt, was im Text vorkommt. Wenn wir uns wirklich mal mit den Texten der Künstler:innen auseinander setzen – positiv wie negativ, öffnen wir die Tür für Bildungsprozesse. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass es natürlich nicht darum gehen soll, den Jugendlichen ihre Vorbilder kaputt zu machen. Der Deutschrap erzählt eben auch oft klassische Aufsteigergeschichten. Der junge Underdog aus einfachen oder schwierigen Verhältnissen, oft mit Migrationshintergrund, findet in der Musik seine Leidenschaft, hängt sich rein und kommt damit ganz nach oben. Das ist einfach ein Bild, das nicht nur auf Jugendliche aus ähnlichen Verhältnissen sehr anziehend wirkt. Es geht in unseren Veranstaltungen darum, zu einer differenzierteren Betrachtungsweise über die Künstler:innen und ihr Werke anzuregen. So wie wir natürlich auch dazu ermutigen wollen, politische und gesellschaftliche Themen differenziert zu betrachten. Aus dem Schwarz-Weiß-Denken herauszukommen, sich eine differenzierte, sowie kritische und vor allem eigene Meinung zu bilden, ist das Ziel. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Bielefeld zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Gangsta-Rap und antisemitischen Einstellungen der jungen Hörer:innen gibt. Wie ist das einzuordnen? Wir haben die Studie mit großem Interesse gelesen, weil sie vieles bestätigt, was wir in unserer Arbeit auch beobachten und weil sie nochmal neuen wissenschaftlichen Input für unsere Arbeit gibt. Es lohnt sich aber, genauer hinzuschauen. In der Studie geht es konkret um Gangsta-Rap und nicht um Deutschrap allgemein. Gangsta-Rap ist eines von vielen Untergenres. Zudem ist die Studie nicht als Wirkungsstudie zu verstehen. Sie zeigt einen Zusammenhang zwischen dem Konsum der Musikrichtung und antisemitischen Einstellungen und nicht, dass Gangsta-Rap tatsächlich antisemitische Einstellungen fördert. Wie die Studie es aussagt, finden wir im Gangsta-Rap auch viele antisemitische Begriffe oder Narrative. Mir fällt zum Beispiel auf, dass Künstler:innen in Interviews oft Dokumentationen auf YouTube als Quelle für bestimmte Ansichten oder vermeintliche Fakten zitieren. Ich würde daher die These aufstellen, dass wir es im Deutschrap teilweise mit medial sehr präsenten Persönlichkeiten zu tun haben, die Inhalte oft unhinterfragt an ein Publikum mit geringer Medienkompetenz weitergeben. Da wären wir aber auch bei einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Es gibt Studien die zeigen, dass gerade Jugendliche bei der Medienkompetenz, wenn es darum geht, den Wahrheitsgehalt von Inhalten zu beurteilen, nur mittelmäßig bis schlecht abschneiden. Gerade bei dem Problem, dass Inhalte unhinterfragt hingenommen und reproduziert werden, sehe ich einen hohen Bedarf an Projekten wie #HEIMAT reloaded. Wir sagen, dann lasst uns doch da genau hinschauen, lasst uns kritisch hinterfragen, was im Gangsta-Rap eigentlich so transportiert wird. Gehen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach den Feriencamps und Workshops mit einer veränderten Haltung nach Hause? Ich wünsche es mir natürlich und habe auch das Gefühl, dass Jugendliche aus den Camps etwas mitnehmen. Sie lernen, kritischer zu hinterfragen. Politische Jugendbildung kann einen Grundstein zur Selbstreflexion legen, Denkanstöße geben und einiges wird sich eventuell auch erst im Nachgang zum Camp bei den Jugendlichen ergeben, wenn sie sich in konkreten Situationen an die Erfahrungen aus dem Camp erinnern.