Lajos Bruck, Boulevard Paris, 1876, Öl auf Holz, 40,5 mal 30 Zentimeter, Kunstmuseum Sankt Gallen, Sturzeneggersche Gemäldesammlung. Rückseitenansicht., Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Das Kunstmuseum Sankt Gallen veröffentlicht einen neuen Bericht zur Provenienzforschung. In einem vom kantonalen Lotteriefonds geförderten Projekt wurden die Sturzeneggersche Gemäldesammlung sowie erstmals auch die Privatsammlung von Eduard Sturzenegger erforscht. Nach aufwendiger Detailarbeit und Monaten der Datenbank-, Archiv- und Bibliotheksrecherche sind die Ergebnisse nun auf der Website des Museums öffentlich einsehbar.
Provenienzforschung
Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft von Kulturgütern und wurde in den letzten Jahren zusehends zu einer grundlegenden Aufgabe öffentlicher Sammlungen. Als Ort der Erinnerung und als visuelles Archiv gehört es für ein Kunstmuseum zur Sammlungspflege, die Geschichte hinter den ausgestellten Werken zu erforschen und dem Publikum zu vermitteln. Während die Besuchenden die Bildvorderseiten betrachten, untersuchen die Provenienzforschenden die Rückseiten von Gemälden: Spuren wie Etiketten oder Aufschriften geben Hinweise auf Ausstellungen oder Vorbesitzer und veranlassen weitere Recherchen.
Lotteriefonds Kanton Sankt Gallen ermöglicht umfangreiche Forschungsarbeiten
Der Forschungsbericht »Eduard Sturzenegger, seine Privatsammlung und die Sturzeneggersche Gemäldesammlung im Kunstmuseum Sankt Gallen« umfasst rund 70 Seiten Text. Der über 1000 Seiten umfassende Anhang enthält detaillierte Werklisten und Dokumentationen und erläutert, unter welchen Umständen welche Werke in die Sammlung gelangten und wie sie hinsichtlich ihrer Provenienz einzustufen sind.
Stickereiunternehmer und Kunstsammler
Nach einer Ausbildung zum Stickereizeichner führte Eduard Sturzenegger (1854 bis 1932) bereits als 18-Jähriger ein eigenes Stickereiunternehmen, das bis 2007 als Eduard Sturzenegger AG in Sankt Gallen bestand.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann Sturzenegger seine umfangreiche Sammlung aufzubauen. 1926 übergab er eine 175 Werke umfassende Schenkung an die Stadt und begründete damit die Sturzeneggersche Gemäldesammlung. Nach 1935 wurde dieser Bestand durch Verkäufe und Neuerwerbungen weitgehend umgestaltet. Unter den Ankäufen aus dem nationalen und internationalen Handel befanden sich Hauptwerke von Feuerbach, Corot, Sisley oder Pissarro. Die heute 148 Positionen umfassende Sturzeneggersche Gemäldesammlung bildet einen sowohl qualitativ als auch quantitativ zentralen Bestand in der Sammlung des Kunstmuseums und wird regelmässig in Ausstellungen gezeigt.
Sturzeneggersche Gemäldesammlung im Fokus
Bereits in den Jahren 2017 ud 2018 hatte das Kunstmuseum Sankt Gallen mit finanzieller Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur (BAK) seine Bestände aus der Sturzeneggerschen Gemäldesammlung hinsichtlich ihrer Provenienz untersucht. Die Unterstützung durch den Lotteriefonds des Kantons Sankt Gallen erlaubte dem Forschungsteam von 2018 bis 2021 in einem Folgeprojekt die konsequente Weiterführung und Vertiefung dieser Recherchen.
Über die Erforschung der öffentlichen Sturzeneggerschen Gemäldesammlung hinaus fokussierte das Projekt die private Sammeltätigkeit von Eduard Sturzenegger. Aufgrund überlieferter Dokumente, wie Originalrechnungen oder ein umfangreiches Bildarchiv, konnten rund 450 Werke identifiziert und die Privatsammlung in Umfang und Charakteristik nachgezeichnet werden. Diese private Sammlung wurde nach Sturzeneggers Tod zerstreut.
Die Erkenntnisse aus der vorliegenden Forschung sind für die heutigen Eigentümerinnen und Eigentümer all jener Werke, die zeitweise Teil der Privatsammlung und/oder der öffentlichen Sturzeneggerschen Gemäldesammlung waren (272 Werke, Stand 2021) von Interesse. Sie erhalten durch den Projektbericht Zugang zu wichtigen Informationen über Geschichte und Herkunft der Objekte. Über die Detailkenntnisse zu den einzelnen Werken hinaus wird anhand des Sammlers Eduard Sturzenegger ein Stück Kulturgeschichte der Ostschweiz aufgearbeitet.
Schweizer Arbeitskreis Provenienzforschung
2020 schlossen sich Provenienzforschende im Schweizer Arbeitskreis Provenienzforschung (SAP) zusammen. Der Verein wurde gegründet, um die wissenschaftliche Arbeit und den Wissenstransfer zwischen den Forschenden zu fördern. Zudem soll die Vermittlung von Forschungsergebnissen die Öffentlichkeit und Museumsbesuchende für Provenienzfragen sensibilisieren und sie mit den oft spannenden Herkunfts-Geschichten der Werke bekannt machen.