Bielefeld (fhb). Geschlechtsidentitäten als bewegliche Momente und das philosophische Konzept des Fluiden – das sind die Leitmotive der Master- bzw. Bachelorkollektionen von Aylin Tomta (Master) und Erato Fotopoulos (Bachelor). Am ersten Tag der digitalen Frankfurter Fashion Week wurden die beiden Abschlussarbeiten der Absolventinnen des Fachbereichs Gestaltung der Fachhochschule (FH) Bielefeld nun mit dem European Fashion Award FASH ausgezeichnet. Aufgrund der Pandemie wurden in diesem Jahr die Preise für die Jahre 2020 und 2021 vergeben. Für die beste Master- bzw. Bachelorkollektion erhalten die beiden Preisträgerinnen jeweils ein Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro. Zudem erreichte die Masterstudentin Karina Reich den mit 1.000 Euro dotierten dritten Platz beim Special Award Workwear Couture.
Fluide Genderidentitäten
»Ich habe mich in meiner Kollektion mit der Thematik der Geschlechteridentitäten beschäftigt und versucht, ihre Assoziationen mithilfe der Mode zu verschieben«, erklärt Aylin Tomta. Ausgangspunkt der 20-teiligen gender-fluiden Menswear Kollektion »Hylemorph« sind Archetypen der klassischen Herrenmode als auch der Haute Couture. »Ich bringe diese bekannten Elemente mit freien und selbst erarbeiteten Oberflächen- und Formprinzipien zusammen und schaffe so neue Eindrücke«, beschreibt Tomta ihre Arbeit.
Jury von Kollektion begeistert
Mit diesem Ansatz konnte Tomta die Jury bestehend aus internationalen Expertinnen und Experten überzeugen. In der Begründung heißt es: »Eine kraftvolle Kollektion voller Poesie, die man gerne lange anschaut und die emotional berührt. Mit ihrer im Wortsinn überzeichneten Mode überwindet sie die Klassik und hat damit ein völlig neues und modernes Männerbild erschaffen, das maskulin ist ohne ins Manierierte oder Crossdressing abzugleiten. Sehr selten ist eine Masterarbeit so ausgereift und auf dem Punkt.«
Der Mensch und die Kleidung im Wandel
Erato Fotopoulos beschäftigt sich in ihrer Bachelorkollektion mit der Fluidität im philosophischen Sinn. Die Kollektion trägt deshalb auch den Titel des Zeichens für Fluidität in der Wissenschaft – »[fi:]«. Ausgangspunkt für Erato Fotopoulos ist das Verständnis von menschlicher Identität als einem Konzept, das sich beständig im Wandel befindet – und deshalb auch die Kleidung wandelbar sein muss. So kann die Hose ihrer Kollektion so verstellt werden, dass sie nicht zwei Mal genau gleich sitzt und sich dem Körper des Tragenden jeweils anzupassen vermag. Das Thema Fluidität wurde auch bei der Färbung des Hemdes aufgegriffen: Für die Streifen nutzte sie thermofluide Farbe, die sich bei (Körper-)Wärme von Türkis zu Grün wandelt.
Balance von Casual und Chic
Fotopoulos konnte die Jury insbesondere mit der Verbindung von Sportswear und dem gleichzeitig modischem Anspruch ihrer Kollektion begeistern. »In ihrem Spiel von Volumen und starken Drucken balanciert sie Casual und Chic so gekonnt, dass es selbstverständlich wirkt und doch emotional berührt. Die Kleider sind fotogen und zugleich fühlt man sich in ihnen modern und cool, sie tragen sich angenehm wie ein Pyjama und man wirkt doch angezogen«, heißt es in der Jurybegründung.
Hohes Niveau der Gestaltung trotz Corona
Betreut wurden die Arbeiten in der Theorie von Prof. Dr. Anna Zika (Tomta) und Prof. Dr. Kirsten Wagner (Fotopoulos) und in der Gestaltung von Prof. Meiken Rau, Professorin für das Lehrgebiet Modellgestaltung und Modedesign am Fachbereich Gestaltung. Für sie ist die Auszeichnung der Absolventinnen auch ein Erfolg für die Studienrichtung Mode: »Daran zeigt sich, dass wir trotz der widrigen Coronasituation weiterhin auf hohem gestalterischen Niveau lehren und unsere Absolventinnen extrem motiviert und ambitioniert arbeiten.«
Sonderpreis für Masterstudentin Karina Reich
Der Berufsbekleidungshersteller Engelbert Strauss lobte im Rahmen der Frankfurter Fashion Week zudem den Special Award Workwear Couture aus. Karina Reich, die aktuell ihren Master in der Studienrichtung Mode am Fachbereich Gestaltung abschließt, designte hierfür ein Outfit, das sich zwischen Mode und Arbeitsbekleidung bewegt.
»Wir haben im Vorfeld eine Box mit Stoffen und Kurzwaren zugesendet bekommen und sollte daraus etwas Eigenes kreieren. Mein Ansatz war es, eine Jacke zu designen, die man in sich drehen, verändern und somit an die eigenen Bedürfnisse anpassen kann«, so Reich. Besonders überzeugend fand die Jury bei dem Outfit das Zusammenspiel zwischen Minimalismus, Funktion und Nachhaltigkeit. »Es war eine tolle Erfahrung andere Studierende aus ganz Deutschland zu treffen und sich auszutauschen«, sagt Reich. Ihre Professorin Meiken Rau hatte sie auf den Preis aufmerksam gemacht.