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Der Bundestagswahlkampf in Deutschland ist in vollem Gange. Dabei verlagern die Parteien ihre Werbung zunehmend ins Netz und analysieren Daten, um ihre begrenzten personellen und finanziellen Mittel dort einzusetzen, wo es sich lohnt: bei der eigenen Klientel nebst sympathisierenden Wechselwählenden. Europas größtes IT- und Tech-Magazin »c’t« hat sich für Ausgabe 17/21 angesehen, welche Möglichkeiten Facebook und Google den politischen Organisationen hierzulande bieten und welche Grenzen ihnen gesetzt sind.
Verglichen mit Rundfunk und Presse ist die Online-Werbung ein gesetzlich weitgehend unreguliertes und undurchschaubares Feld. »Inhaltlich unterzieht Facebook nur normale Accounts einem Faktencheck; Politiker und politische Werbung bleiben davon unbehelligt«, erklärt »c’t«-Redakteurin Andrea Trinkwalder. »Auch Google akzeptiert in Werbung verpackte Lügen, während Twitter keine politische Werbung mehr schaltet, aber den Politikern selbst das Verbreiten von Halb- und Unwahrheiten weiterhin zubilligt.«
Große Plattformen wie Google und Facebook können Zielgruppen anhand der Nutzerdaten besonders fein austarieren und mit passender Werbung versorgen. Neuere Techniken benötigen dazu wenig oder gar keine persönlichen Daten. Sie ermitteln Zielgruppen dynamisch anhand ihres aktuellen (Lese-)Verhaltens und setzen selbstlernende Algorithmen ein, um Anzeigen automatisiert und auf den Kontext abgestimmt zu platzieren. »c’t«-Expertin Trinkwalder nennt ein Beispiel: »Vertieft sich jemand gerade in einen Beitrag über den Truppenabzug aus Afghanistan, liest auch die KI des Werbedienstleisters fleißig mit: Mithilfe neuronaler Netze zur Text-, Bild- und Videoerkennung versuchen Plattformen automatisiert einzuschätzen, welche Werbebotschaft zum Thema und der vermuteten Stimmung des Textes passt – und spielen eine passende Anzeige in Echtzeit ein.«
Trinkwalder hat recherchiert, welche Grenzen sich die Parteien bei ihrer Online-Wahlwerbung setzen: Demnach wollen SPD und »Grüne« auf eine allzu feine Segmentierung der Wählerschaft verzichten und haben konkrete Selbstverpflichtungen veröffentlicht. Eine SPD-Sprecherin erklärte gegenüber »c’t«, dass Keywords und kontextsensitive Formate verwendet werden, aber keine »Dynamic Ads«. Auch bei den »Grünen« wurden dynamische Anzeigen bislang nicht verwendet. »Die Linke« spart sich das Budget offenbar für die heiße Phase auf und wirbt bislang noch vor allem um Unterstützer. Ganz vorne dran mit dynamischer Facebook- und Instagram-Werbung ist momentan die CDU. Auch die FDP experimentiert offensichtlich mit unterschiedlichen Bild-Text-Kombinationen, um die Kampagne algorithmengesteuert zu optimieren. AFD-Werbung kommt im Stil boulevardjournalistischer Inhalte daher und kombiniert Zahlen und Fakten im Text recht kreativ, sodass der Leser die gewünschten Schlüsse zieht.
Am Ende bleibt die Frage, wie effektiv politisches Microtargeting wirklich ist, denn anders als bei der klassischen Produktwerbung lässt sich der Erfolg aufgrund des Wahlgeheimnisses nicht direkt messen – und echte Kausalität ist schwer zu beweisen.
Quelle: Heise-Gruppe