Gütersloh (seh). Viele Menschen gelten nach einer Covid-19-Erkrankung als genesen, leiden aber weiter unter Symptomen wie Atemnot, ständige Erschöpfung oder auch Konzentrationsstörungen. Für Betroffene mit einer Lungen- und Atemwegserkrankungen gibt es nun einen speziellen, zertifizierten Reha-Kurs im Sankt-Elisabeth-Hospital.
Im Interview stellen Dr. Gernot Schoch, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin, und Regina Vogler, Leitende Physiotherapeutin, das neue Angebot vor.
Als Spezialist für Lungenerkrankungen haben Sie in den vergangenen Monaten zahlreiche Covid-19-Patienten behandelt. Was ist unter Long-Covid zu verstehen?
Dr. Schoch: Bei Covid-19 handelt es sich um eine Infektion, die den ganzen Körper betrifft. In der Folge können langfristige Beschwerden und Funktionseinschränkungen auftreten. Hierzu gehören zum Beispiel: Atemnot, ständige Erschöpfung, aber auch Gelenkschmerzen, Muskelschwäche, Herz- und Kreislaufbeschwerden bis hin zu neurologischen Problemen wie Depressionen. Wenn diese Beschwerden auch noch drei Monate nach der akuten Erkrankung bestehen, bezeichnen wir das als Long-Covid.
Wer ist besonders betroffen?
Dr. Schoch: Das kann man pauschal nicht sagen: Betroffen sind sowohl junge, zum Teil sehr sportliche Menschen, wie auch Vorerkrankte oder betagte Personen. Auch nach einem vermeintlich milden Verlauf treten vereinzelt Folgeerkrankungen auf. Wir gehen zurzeit davon aus, dass möglicherweise jeder zehnte Corona-Infizierte an Spätfolgen leidet.
Wer diagnostiziert einen Long-Covid?
Dr. Schoch: Symptome jeglicher Art sollten zuerst mit dem Hausarzt besprochen werden. Liegt beispielsweise Atemnot vor, sollte eine fachärztliche Untersuchung beim Lungenarzt erfolgen. Mit einigen Lungen-, Herz- und Kreislauftests wird man schnell feststellen, ob es Einschränkungen gibt. Zudem entstehen aktuell an Universitätskliniken Spezial-Ambulanzen, die bei der Einschätzung und ggf. der Feststellung eines Long-Covid-Syndroms angesprochen werden können.
Vogler: Der Haus- beziehungsweise Lungenfacharzt kann, wenn dies medizinisch erforderlich erscheint, eine Reha-Sportmaßnahme verordnen. Ob eine Teilnahme am Reha-Sport möglich ist, hängt natürlich vom Ausmaß der Lungeneinschränkung und von bestehenden Erkrankungen anderer Organe ab. Unsere Physiotherapeuten haben sich auf die Behandlung von pneumologischen Reha-Patienten spezialisiert und eine entsprechende Zusatzqualifikation absolviert.
Was versteht man unter Lungensport?
Vogler: Lungensport ist kein Leistungssport! Die Übungseinheiten sind gezielt an die jeweilige Verfassung der Teilnehmer ausgerichtet: Lungensport ist ein wichtiges Element zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Wir bieten bereits seit sieben Jahren spezielle Lungensport-Kurse an und sind Mitglied im Verein »Rehasport Deutschland«. Ab September wird es zusätzlich ein Lungensportangebot für Long-Covid-Patienten mit pneumologischem Rehabilitationsbedarf geben.
Welche Erfolge können mit dem Reha-Sport erzielt werden?
Vogler: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz: Verbesserung von Ausdauer, Kraft, Koordination und Flexibilität, gehören ebenso dazu wie die Schulung von Körperwahrnehmung und Entspannungstechniken.
Dr. Schoch: Ziel einer jeglichen Rehabilitationsmaßnahme muss es sein durch Covid-19 erlittene Funktionseinschränkungen zu bessern oder den Umgang mit dauerhaften Einschränkungen zu erlernen.
Wichtig ist, dass man die Symptome der Patienten ernst nimmt und gegebenenfalls durch eine spezielle Diagnostik weiter klärt. Es ist zu erwarten, dass zahlreiche Patienten nach einer Covid-19-Erkrankung eine weitere fachärztliche Betreuung und auch gezielte Rehabilitationsangebote benötigen.
Veranstaltungsankündigung
Am Mittwoch, 18. August 2021, informieren Dr. Gernot Schoch und Regina Vogler in einem online-Patientenforum über »Lungensport bei Long-Covid«. Der Chefarzt und verantwortliche Arzt für die Lungensportgruppe greift die Frage »Long-Covid: Was tun?« auf. Im Anschluss daran wird die Leitende Physiotherapeutin über »Lungensport: Atmen und Bewegung« referieren. Beginn des online-Vortrags ist um 17 Uhr. Gerne beantworten die Referenten nach den Vorträgen individuelle Fragen. Anmeldungen nimmt das Sekretariat der Klinik für Pneumologie ab sofort entgegen – per E-Mail an pneumologie@sankt-elisabeth-hospital.de oder telefonisch unter (05241) 507-7326. Die Teilnehmer erhalten dann eine Bestätigungs-E-Mail mit Zugangsdaten.