Berlin (ots) Die Kanzlerkandidatin von »Bündnis90/Die Grünen«, Annalena Baerbock, hat sich in der ARD für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen, der Fehler des Afghanistan-Einsatzes aufarbeiten soll. Sie sagte am Montag in einem einstündigen Interview mit zehn ARD-Popwellen, die Bundesregierung sei aus innenpolitischen Erwägungen nicht dazu bereit gewesen, die afghanischen Ortskräfte früh genug aus dem Land herauszuholen: »Das ist wirklich für die deutsche Außenpolitik katastrophal und erst recht natürlich für die Afghaninnen und Afghanen dort im Land. […] Man muss diesen Einsatz sehr kritisch evaluieren. Deswegen ist mein Vorschlag zum einen, das was an wirklich schlimmen Fehlern von Seiten der Bundesregierung passiert ist mit Blick auf die Ortskräfte, brauchen wir einen Untersuchungsausschuss.«
Außerdem sprach sie sich für eine Afghanistan-Konferenz aus, an der unter anderem Russland, China und die Nachbarstaaten Afghanistans teilnehmen sollten.
Annalena Baerbock forderte in den Pop-Wellen der ARD, die USA müssten weiter dafür sorgen, dass der Flughafen von Kabul offengehalten wird: »Wir sind gemeinsam in diesen Einsatz reingegangen und es kann jetzt nicht nur um amerikanische Staatsbürger und amerikanische Verbündete gehen, sondern es geht jetzt auch darum, andere Ortskräfte, die für andere NATO-Truppen gearbeitet haben, rauszuholen. Da sind noch so viele Menschen, die mit dem Tod bedroht werden, […] und da können wir uns nicht einfach vom Acker machen, um es mal platt zu sagen in dieser wirklich katastrophalen Lage.«
Gefragt nach ihren innenpolitischen Schwerpunkten, sagte Baerbock in der Radiosendung, die unteren Einkommensschichten dürften nicht belastet werden, um den ökologischen Umbau der Gesellschaft zu finanzieren. »Gerade Geringverdiener werden bei uns entlastet. Unser Vorschlag ist, die Vermögensbesteuerung wieder einzuführen. Die hat es in Deutschland ja schon einmal gegeben. Das wäre ein Prozent ab zwei Millionen Euro. Der zweite Punkt ist, dass wir beim Spitzensteuersatz leicht erhöhen müssen, um auf der anderen Seite Kinder aus der Armut zu holen. […] Und der dritte Punkt ist, dass wir unsere derzeitige Schuldenbremse im Grundgesetz ergänzen durch eine Investitionsregel, wo wir Kredite aufnehmen, damit wir in unsere Infrastruktur […] und Gesundheitsversorgung investieren.«
Zur Bewältigung der Corona-Krise sprach sich Baerbock dafür aus, stärker für die Impfkampagne zu werben. Gleichzeitig sei es ihrer Einschätzung nach in Zukunft sinnvoll, zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden.
»In der Situation, wo man sagt, wir müssen alles tun, um uns gemeinsam zu schützen, war es nötig und absolut richtig zu sagen, es gibt auch für alle entsprechende Einschränkungen. Aber jetzt, wo wir einen anderen Weg haben, weil viele, viele Menschen geimpft werden können, halte ich es für richtig, das diejenigen, die geimpft oder genesen sind, mehr tun können als diejenigen, die sagen, ich lasse mich nicht impfen. […] Das bedeutet für mich, dass die Entscheidung, die nicht auf Solidarität beruht, wenn man sagt, ich lasse mich nicht impfen, dazu führen kann, dass man andere massiv gefährdet, und ja, das heißt auch, diejenigen, die sagen, ich habe mich impfen lassen oder ich bin genesen, dann auch entsprechend an Orte wie Fußballstadien gehen können und andere eben nicht.«
Baerbock erklärte, es sei jetzt auch richtig, nicht mehr nur die Sieben-Tage-Inzidenz zum Maßstab für Corona-Maßnahmen zu machen, sondern auch andere Kriterien zu berücksichtigen.
»Kampf ums Kanzleramt – wer regiert Deutschland« ist eine ARD-Radiointerview-Serie mit den drei Kanzlerkandidatinnen Annalena Baerbock (»Grüne«), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU/CSU). Die drei einstündigen Live-Sendungen werden von den folgenden Wellen ausgestrahlt: Bayern 3, HR 3, MDR Jump, NDR 2, Bremen Vier, »RBB 88,8«, Antenne Brandenburg, SR 1, SWR 3 und WDR 2.
Die weiteren Folgen: Interviewsendung mit Olaf Scholz (SPD): Mittwoch, 25. August 2021, 18.04 bis 19 Uhr. Interviewsendung mit Armin Laschet (CDU/CSU): Donnerstag, 26. August 2021, 18.04 bis 19 Uhr.