Bielefeld (fhb). Das weltweite Netz ist für die meisten Menschen fester Bestandteil des täglichen Lebens: Wir arbeiten am Rechner, wir benutzen unser Smartphone, tragen sogenannte Wearables, wie Smart-Watches, am Körper – und alle diese Geräte sind mit dem Internet verbunden. Auch unsere »intelligenten«Â Haushaltsgeräte kommunizieren ihre Daten – Stichwort Internet of Things – über das weltweite Netz zur Cloud ihres Herstellers. Im World Wide Web surfen, Nachrichten versenden per Messenger, an Konferenzen teilnehmen, Geld überweisen oder Streaming-Dienste nutzen – das Internet ist allgegenwärtig und transportiert unentwegt ungeheure Datenmengen von einem Punkt zum nächsten.
Aber wie genau funktioniert es? Das und vieles mehr können Studierende im Labor für Angewandte Informatik an der Fachhochschule (FH) Bielefeld lernen. Hier vermittelt Prof. Dr. Lutz Grünwoldt, Professor für Informatik am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik und Leiter des Studiengangs Ingenieurinformatik, gemeinsam mit seinen Kollegen grundlegendes Wissen aus den Gebieten der Informatik. Die Studierenden simulieren unter Anleitung ihrer Professoren ganze Systeme, lernen, welche technischen Elemente wie interagieren und wie diese über das große weltweite Netz miteinander sicher kommunizieren.
Ein ausfallsicheres Netzwerk aus vielen einzelnen Netzen
»Um zu verstehen, wie das Netz arbeitet, müssen zunächst zwei Fragen beantwortet werden«, erläutert Prof. Grünwoldt. »Zum einen, wie ist die Infrastruktur des Internets aufgebaut? Und zum anderen, wie finden die Daten den korrekten Weg zu ihrem Ziel?«
Was die Infrastruktur betrifft, so ist das Internet ein Netz, das aus vielen Einzelnetzwerken zusammengeschlossen ist. Eine große, weitverzweigte und hierarchisch organisierte Infrastruktur mit verschiedenen Ebenen. Die oberste Ebene stellt ein reines Leitungsnetz für höchsten Datendurchsatz dar, auf der untersten Ebene sind Internet-Serviceprovider mit Unternehmen oder Institutionen direkt verbunden. Gleichzeitig existieren zahlreiche vertikale Querverbindungen zwischen Serviceprovidern unterschiedlicher Ebenen. Aus der Perspektive der End-User ist ein System entstanden, das Hochschulen, Unternehmen, Organisationen, aber auch private Haushalte miteinander verbindet. Es wird nicht zentral gesteuert ist, sondern jeder Teil im globalen Netzwerk organisiert sich selbst. Damit ist das Internet weitestgehend ausfallsicher. »Wenn eine Verbindung zwischen zwei Netzwerken ausfällt, können die zu übermittelnden Daten immer noch über einen alternativen Weg zum Ziel gelangen«, erläutert Grünwoldt.
Host, Switch, Router – die wichtigen Knotenpunkte im Netz
Die Netzwerke sind weltweit über große Internet-Knoten miteinander verknüpft. Hier laufen die Daten aus vielen Hundert Netzwerken zusammen. In Frankfurt beispielsweise gibt es den DE-CIX, das Deutsche Commercial Internet Exchange Rechenzentrum, mit einer Datenübertragungsrate von einigen Terrabit pro Sekunde. Automatische Systeme schalten hier die Verbindungen. Was in der Mainmetropole und in den angeschlossenen multinationalen Netzwerken im Großen geschieht, exerzieren die Studierenden im Labor an der Fachhochschule im Kleinen. Dabei kommen drei Geräte mit unterschiedlichen Funktionen zum Einsatz: Host, Switch und Router.
Die einzelnen Rechner im Labor von Prof. Grünwoldt sind die Hosts. Sie sind über Leitungen mit einem Patch-Panel verbunden.  So können Verbindungen im Netzwerkschrank zu anderen Geräten aufbaut werden. Das geschieht entweder über die Ethernet-Schnittstellen oder über die Konsole, eine sogenannte Konfigurationsschnittstelle.
Simulation und realer Test – auf die Konfiguration kommt es an
Neben dem Host ist das zweitwichtigste Gerät im Labor der Switch. Dieser ermöglicht es, Geräte auf verschiedenen Etagen in einem Gebäude mit einer hohen Bandbreite zu verbinden. Soll hingegen mit einem ganz anderen Standort kommuniziert werden, kommt der Router ins Spiel. Dieser nimmt Datenpakete entgegen und »entscheidet«Â weitgehend selbständig, über welche Schnittstellen er sie weiterleitet.
»Die Konfiguration all dieser Geräte und des gesamten Netzwerks gehört zu den spannendsten Tätigkeiten der Studierenden im Labor«, so die Erfahrung von Prof. Grünwoldt. »Unsere Studenten begeistert die Arbeit mit der Technik. Nach der Erstellung eines IP-Konzepts starten wir in der Regel mit einer Simulation des Zielnetzwerks. Es ist ungemein wichtig, dass unsere Studierenden auch mit echten Netzgeräten arbeiten, etwas aufbauen und dann am physischen Netzwerk testen, ob es funktioniert. So kann die Theorie aus den Vorlesungen viel besser durchdrungen werden, und die Studenten erhalten ein direktes Feedback.«
Diverse Protokolle bilden die Sprache des Internets
Nicht nur die Infrastruktur des Internets, auch die Datenübertragung wird im Labor hautnah erlebt: Damit Daten, die von einem Punkt A verschickt werden sollen, auch am gewünschten Punkt B ankommen, benutzt das Internet eine einheitliche Sprache. Zentrales Element dieser Sprache sind die sogenannten Internet Protokolle, abgekürzt IP. Zunächst erhält jedes Endgerät, mit dem Daten versendet und empfangen werden können, eine eindeutige IP-Adresse. Sie stellt die Übermittlung der Datenpakete an den richtigen Ort sicher. Nun kommen Transport-Protokolle zum Einsatz. Sie gewährleisten je nach Anwendungsprotokoll, dass die Datenpakete auch tatsächlich vollständig übermittelt werden, können fehlende Daten neu abrufen oder doppelt gesendete Pakete eliminieren.
Internetsicherheit als zentraler Studieninhalt
Wie sicher ist das Internet? Wie schützt man persönliche Daten oder Firmengeheimnisse vor dem Zugriff Unbefugter? Auch das sind Fragen, die im Netzwerk-Labor auf der Tagesordnung stehen: »Beim ganz konkreten Umgang mit der Technik bauen wir nicht nur das Netzwerk auf, verbinden die Geräte und konfigurieren die einzelnen Elemente – wir kümmern uns auch um die Absicherung des Netzes«, berichtet Grünwoldt. Und so lernen die Studenten als festen Bestandteil der Arbeit im Labor, welche Mittel zur Verfügung stehen, um auf der Netzwerkebene für Daten- und Zugriffssicherheit zu sorgen.
Sinnvolle Verknüpfung mit der industriellen Praxis
Praxisnähe durchzieht das Ingenieurinformatik-Studium an der Fachhochschule Bielefeld. In nahezu jedem Modul des Studiums gibt es begleitende Praktika. Das Labor für Angewandte Informatik ist deshalb nicht nur mit Netzwerktechnik ausgestattet: Das dritte Semester beispielsweise hält für die Studierenden regelmäßig ein Laborprojekt bereit, in dem diese in Gruppen einen sechsbeinigen Roboter zum Laufen bringen.
Die Studenten entscheiden selbst, wer welche Rolle im Projekt übernimmt. Die Verantwortlichkeiten für das Management, die Einrichtung der entsprechenden Server und Infrastruktur, die Programmierung der Modelle – alles wird im Team aufgeteilt. Die Gruppen bauen jeweils einen Roboter auf und konfigurieren ihn so, dass die beweglichen Automaten einen vorgegebenen Parcours überwinden können: Wer ist der Schnellste? Wer kann Hindernisse am besten überwinden? „All das bringt Spaß in das Studium und lässt die Studierenden motiviert zusammenarbeiten“, erzählt Prof. Grünwoldt.
Kooperation mit der Cisco-Networking-Community und dem IT-Bildungsnetz Deutschland
Ein weiteres Beispiel für die Praxisorientierung des Studiums ist die Kooperation mit dem internationalen IT- und Netzwerkhersteller Cisco. Auf Wunsch bereitet der Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik die Studierenden auf die Zertifizierung als Cisco Certified Network Associate (CCNA) vor.
Während des Studiums gibt es zudem mehrere Praxisphasen, in denen die Studierenden mit regionalen Unternehmen zusammenarbeiten. Grünwoldt: »Studenten des Studiengangs Ingenieurinformatik haben gelernt, ingenieurtechnische Probleme zu lösen, und können praktisch in jedem Unternehmen, das informatische oder informationstechnische Strukturen aufweist, als Absolvent arbeiten!«