Schlaganfälle gehören zu den seltenen, aber schwerwiegenden Komplikationen einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Bei diesem Klappenersatz-Verfahren wird die künstliche Ersatzklappe mit einem Katheter über der defekten Aortenklappe positioniert. Dabei besteht die Gefahr, dass Partikel aus der verkalkten Herzklappe oder der Körperschlagader (Aorta) freigesetzt werden, mit dem Blut ins Gehirn gelangen und dort einen Schlaganfall verursachen. In Deutschland wurden allein 2019 über 24.000 TAVI durchgeführt (»Deutscher Herzbericht 2020«). Mit den in den vergangenen Jahren verbesserten Implantationstechniken und der Wahl zwischen verschiedenen Klappentypen (selbst- beziehungsweise ballonexpandierbare Klappen) ist das nur noch selten der Fall.
»Doch auch heute kommt es bei etwa zwei bis drei Prozent aller TAVI-Prozeduren zu Schlaganfällen mit bleibenden Folgen«, erklärt die Kardiologin und Professorin Dr. Tanja Rudolph, Oberärztin in der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie am Herz- und Diabetes-Zentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen in der aktuellen Ausgabe der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute 3/2021. Die Ausgabe zum Themenschwerpunkt Herzklappen-Therapien ist kostenfrei unter www.herzstiftung.de/bestellung erhältlich. Der Expertenbeitrag von Prof. Rudolph zum Schutzfiltersystem zur Schlaganfallverhütung ist unter www.herzstiftung.de/tavi-schutzschirme als Online-Fassung abrufbar.
Wie kann die Gefäßkomplikation entstehen?
»In der Regel zeigen sich die Probleme entweder sofort oder innerhalb der ersten zwei Tage nach dem minimalinvasiven Eingriff, bei dem der Katheter mit der Ersatzklappe über einen Führungsdraht über den Aortenbogen und die aufsteigende Aorta durch die verengte Klappe vorgebracht wird«, erläutert Prof. Rudolph. Führungsdraht und Katheter sowie das Einsetzen der Klappe können Material an den Gefäßwänden lösen, das aus kleinen Blutgerinnseln, Resten arteriosklerotischer Ablagerungen, Bindegewebe und Kalkpartikeln besteht.
Dieses Material kann dann mit dem Blutstrom über die Halsarterien in den Gehirnkreislauf gelangen und dort kleine, gelegentlich auch größere Gehirngefäße verstopfen (embolische Komplikation). »Verstopfen größere Gefäße, kann es zum Schlaganfall kommen, dessen Folgen vom Ort des Gefäßverschlusses und der betroffenen Hirnregion abhängen«, erläutert Rudolph.
Schutzschirme zur Schlaganfallverhütung: Wie ist die Studienlage?
Eine ähnliche Komplikation ist auch bei Gefäßaufweitungen und Stentimplantationen in den Halsarterien bekannt. Um das zu vermeiden, sind spezielle Schutzsysteme entwickelt worden, so auch bei der TAVI. Hier hat man verschiedene Filtersysteme eingeführt, die die beiden großen Halsarterien (Arteria carotis) und zumindest eine der beiden kleinen Arterien (Arteria vertebralis) wie Schutzschirme schützen sollen. Der Erfolg dieser Maßnahme wird noch unterschiedlich beurteilt.
In den ersten Studien, bei denen ein Schutzsystem verwendet wurde, fand sich kein Unterschied in der Häufigkeit an Schlaganfällen zwischen Patienten, die das System erhielten und solchen ohne Filterschutz. Allerdings hatten die verglichenen Patientengruppen auch ein unterschiedliches Risiko für Embolien, so dass der Vergleich der Daten schwer möglich ist. Inzwischen liegen auch Daten aus der praktischen Anwendung vor, die darauf deuten, dass gerade Hochrisikopatienten durchaus von einem Schutzsystem profitieren. Um das zu bestätigen, werden derzeit Studien durchgeführt, die den Nutzen von Protektionssystemen bei Patientengruppen mit verschiedenen Risiken für embolische Komplikationen vergleichen.
Warum Schutzfilter bisher selten im Einsatz sind
Die noch unklare Datenlage und die verlängerte Eingriffsdauer beim Einsatz von Schutzfiltern sind ein Grund, warum diese in Deutschland bisher nur bei etwa vier Prozent aller TAVI-Eingriffe eingesetzt werden. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) empfiehlt die Protektionssysteme deshalb nicht generell. Doch sie nennt sie als eine Option für Patienten mit einem besonders hohen embolischen Risiko. Aber wie lässt sich ein hohes Embolie-Risiko erkennen? In vielen Fällen gelingt das mit einer Echokardiographie über die Speiseröhre oder mit Hilfe einer CT-Untersuchung. »Jeder Patient, der einer TAVI erhält, sollte sich bei seinem Arzt vorab informieren, ob bei ihm ein erhöhtes embolisches Risiko vorliegt. Wenn dies der Fall ist, sollte für die Prozedur der Einsatz eines Protektionssystems erwogen werden«, rät Rudolph.
Welchen Patienten nutzt ein Schlaganfallschutz?
Auch wenn die Schutzfilter nicht für alle Patienten mit einem Herzklappenersatz mittels TAVI geeignet sind, so haben sich bestimmte Gruppen mit hohem Risiko herauskristallisiert, denen der zusätzliche Filter nutzen kann. Der Einsatz eines Protektionssystems kann nach individueller Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt beispielsweise erwogen werden, wenn:
- bereits ein Schlaganfall erlitten wurde,
- die neue Herzklappe in eine schon degenerierte alte Herzklappe implantiert werden muss (»Valve-in-Valve«, eine Klappe-in-Klappe-Prozedur);
- bei den bildgebenden Verfahren verdächtige Auflagerungen in der Körperschlagader oder an der Herzklappe nachgewiesen wurden;
- die Aortenklappe sehr stark verkalkt ist.
- der Patient noch sehr jung ist, da dann Schlaganfälle häufig besonders schwer verlaufen.