Wissenschaftler zeigen, wie die Kombination von Gestein und Wärme zur Funktion erster sich selbst reproduzierender Biomoleküle beigetragen haben kann.
In heutigen Organismen ist der Bauplan für Proteine, die Nanomaschinen des Lebens, im Erbmolekül DNA gespeichert. Aber wie hat das Leben begonnen? Die sogenannte RNA-Welt-Hypothese besagt, dass das erste Leben aus sich selbst reproduzierenden RNA-Molekülen entstand. RNA ist chemisch eng mit der DNA verwandt und kann beides sein, Informationsspeicher und Nanomaschine. Da sie im Prinzip die Sequenz anderer RNA-Stränge kopieren und damit evolutive Prozesse hätte starten können, ist sie als Kandidat für das erste Biopolymer des Lebens besonders interessant.Â
Um ihre Aufgabe zu erfüllen, muss sich RNA jedoch ähnlich wie Proteine in eine korrekte räumliche Struktur falten – ein Prozess, für den sie bestimmte Anforderungen an den Salzgehalt in ihrer Umgebung stellt. Wie diese »Würze des Lebens« unter den Bedingungen auf der Erde vor vier Milliarden Jahren zustande gekommen sein könnte, haben nun Wissenschaftler um die LMU-Biophysiker Dieter Braun und Christof Mast in einem interdisziplinären Forschungsansatz gemeinsam mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Biochemie, der TU Dortmund und LMU-Geowissenschaften gezeigt.
Korrekte Faltung unter präbiotischen Bedingungen
RNA benötigt für eine korrekte Faltung eine relativ hohe Konzentration an zweifach geladenen Magnesiumionen und eine möglichst geringe Konzentration an einfach geladenem Natrium, da letzteres zu einer Fehlfaltung der RNA Stränge führt. Da reines Austrocknen zwar die Salzkonzentration, nicht aber das relative Mengenverhältnis beider Ionenarten ändert, war bisher unklar, wie solch vorteilhafte Bedingungen durch präbiotisch plausible Prozesse erzeugt werden können. »Wir konnten nun zeigen, dass die Kombination von Basaltgestein und einfachen Wärmeflüssen das richtige Mischungsverhältnis von Magnesium und Natrium durch natürliche Prozesse erzeugen kann«, sagt Mast.
Zu diesem Zweck präparierten LMU-Geowissenschaftler um Donald Dingwell und Bettina Scheu zunächst Basalt in verschiedenen Zustandsformen, sowohl als Gestein als auch als Glas. Basalt-Glas entsteht dabei durch rasches Abkühlen von geschmolzenem Basalt, zum Beispiel in Kontakt mit Wasser in Ozeanen, ein natürlicher Prozess, der bis heute kontinuierlich auf der Erde stattfindet. In einem zweiten Schritt untersuchten die LMU-Biophysiker, welche Mengen an Magnesium und Natriumionen unter verschiedensten Randbedingungen – etwa Temperatur oder Korngröße des Geomaterials – aus dem Gestein/Glas herausgelöst werden konnten. Hierbei zeigte sich, dass stets deutlich mehr Natrium ins Wasser gelangt als Magnesium – letzteres außerdem mit viel geringeren Konzentrationen, als die präbiotischen RNA-Nanomaschinen benötigen.Â
Wärmeströme in feinen Gesteinskanälen
»Die Situation ändert sich aber entscheidend, wenn Wärmeströme, die aufgrund der hohen geologischen Aktivität sehr wahrscheinlich vorhanden waren, mitberücksichtigt werden«, sagt Mast. In feinen Kanälen, wie sie in basaltischem Glas leicht zu finden sind, erzeugt ein solcher Wärmestrom sowohl eine Konvektion des Wassers als auch eine Drift der Salzionen entgegen dem Wärmestrom. Dieser Thermophorese genannte Effekt ist stark von der Ladungszahl und Größe der Ionen abhängig. Die Kombination von Konvektion und Thermophorese führt schließlich dazu, dass sich Magnesiumionen viel stärker lokal anreichern als Natriumionen. Dieses unterschiedlich starke Aufkonzentrieren der Salze nimmt mit der Größe des Gesamtsystems zu.
Wie die Forscher mithilfe von Testsystemen in Form von katalytisch aktiven RNA-Strängen (Ribozymen) zeigen konnten, die durch die Arbeitsgruppe von Hannes Mutschler bereitgestellt wurden (MPI für Biochemie an der TU Dortmund), verbesserten die thermophoretischen Bedingungen die Ribozym-Selbstreproduktion und die Verknüpfung mehrerer kurzer RNA-Stränge deutlich. Selbst sehr große Natrium-Überschüsse im Bereich von Tauend zu Eins im Vergleich zu Magnesium, die in manchen präbiotischen Szenarien angenommen werden und mit der RNA-Katalyse nicht kompatibel sind, können durch das im Paper vorgestellte Szenario ausgeglichen werden, sodass die Ribozyme trotzdem ihre Arbeit verrichten können.