FH Bielefeld arbeitet mit an Forschungsprojekt gegen Judenhass im Netz
- Mit dem Projekt »Respond!« wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem junge Leute befähigen, medienkompetent auf antisemitische Hassrede in sozialen Medien zu reagieren. Die Fachhochschule Bielefeld, das Touro College Berlin und die Universität Potsdam arbeiten dabei eng mit der Jüdischen Gemeinde Berlin zusammen.
Bielefeld (fhb) Antisemitische Hassrede nimmt insbesondere in den sozialen Medien zu – oft anonym. Wie sollen junge Menschen damit umgehen? Diese Frage steht im Fokus des Forschungsprojekts »Respond!«, das gemeinsam von der Fachhochschule (FH) Bielefeld, der Universität Potsdam und dem Touro College Berlin ins Leben gerufen wurde. Im Kern des Projekts geht es um die Entwicklung eines Trainings zur Bekämpfung antisemitischer Hassrede in sozialen Medien. Trainiert werden sollen 600 Schülerinnen und Schüler sowie 600 Lehrkräfte. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro über eine Laufzeit von vier Jahren gefördert.
Multidisziplinäres Team
In dem wissenschaftlichen Team arbeiten Antisemitismusforscher, Medien- und Kulturpsychologinnen mit Fachleuten aus der Inklusionspädagogik, der Linguistik, der Rassismusprävention und dem Sozialwesen zusammen. Sie kooperieren engmaschig mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands.
Linguistische Analyse von Hassrede
Das Expertenteam möchte vor allem junge Leute in die Lage versetzen, antisemitische Hassrede in sozialen Medien auch in subtileren Erscheinungsformen zu erkennen und medienkompetent auf sie zu reagieren. »Wir wollen eine nachhaltige Gegenstimme junger Menschen zur Bekämpfung von Judenhass im deutschsprachigen Netz verbreiten«, erklärt Prof. Dr. Gudrun Dobslaw, die den Part der FH Bielefeld leitet. Dobslaw ist Professorin für Psychosoziale Intervention und Beratung am Fachbereich Sozialwesen. Sie ist federführend für das Teilprojekt »Respond! interaktiv und intersektional« zuständig: Zunächst will sie gemeinsam mit Justine Kohl, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, anhand linguistischer Methoden juden- und jüdinnenfeindliche Interaktionsverläufe auf einigen der relevantesten Social-Media-Plattformen, die von jungen Menschen in Deutschland genutzt werden, analysieren. #Facebook, #Instagram, #Snapchat und #Youtube stehen dabei im Fokus. Außerdem möchten sie herausfinden, wie anfällig junge Menschen in Deutschland für antisemitische Hassrede sind und inwiefern sie fähig sind, medienkritisch darauf zu reagieren.
Fokus der internationalen Forschung liegt bislang auf islamophoben Posts
Dobslaw erläutert, warum hier Forschungsbedarf besteht: »Die internationale Forschung hat bisher insbesondere islamophobe Formen der Hassrede systematisch untersucht. Antisemitischen Online-Diskursen wurde weniger Beachtung geschenkt. Wobei beide Themen insgesamt weniger Aufmerksamkeit erhalten als das Thema Cybermobbing bei Jugendlichen.« Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden zwar auf potenzielle Gefahren der Allgegenwärtigkeit von #Online-#Hassrede hinweisen, weiß Dobslaw. »Untersuchungen zu den Personengruppen, die diese Materialien sehen oder hören, gibt es jedoch nur wenige«, so die Professorin. »Wir möchten daher herausfinden, wie Hassrede auf die Nutzerinnen und Nutzer wirkt«, sagt Dobslaw. In diesem ersten Teilvorhaben wird antisemitische Hassrhetorik in Beiträgen oder Kommentaren auf den jeweiligen Plattformen mit qualitativen Methoden analysiert und ausgewertet. Zudem sollen #Fokusgruppeninterviews mit betroffenen und nicht-betroffenen Jugendlichen geführt werden.
»Respond!«-Trainings entwickeln
In einem nächsten Schritt sollen dann Trainings zur Stärkung von Medienkompetenz im Umgang mit antisemitischer Hassrede in sozialen Medien entwickelt und umgesetzt werden. Das konkrete Ziel ist, 600 junge Menschen zu »Respond!-Trainerinnen und -Trainern« zu schulen. Im vierten Projektabschnitt sollen auch 600 angehende Lehrerinnen und Lehrer in Berlin, Potsdam und Bielefeld anhand gezielter Aufklärungskampagnen für das Thema sensibilisiert werden.
Perspektivisch inhaltliche und regionale Ausweitung möglich
Die Forscherinnen und Forscher hoffen, dass die Kompetenzen der geschulten Personen zur Bekämpfung von Antisemitismus nicht aufs Internet beschränkt bleiben, sondern sich in weiten Teilen auch auf den Umgang mit Hass in der ‚realen‘ Welt anwenden lassen. Die Trainings könnten zudem auf weitere Teile Deutschlands und den europäischen Raum ausgeweitet werden. Eine Fortführung der Trainings auf andere hassbesetzte Feindbilder sei ebenfalls denkbar. Das Projekt »Respond!« will somit eine breit angelegte Sensibilisierung und Befähigung im Umgang mit antisemitischem Hass im Besonderen und fremdenfeindlichem Hass und Vorurteilen allgemein schaffen und damit wesentlich zu demokratischen Kernkompetenzen junger Menschen im deutschsprachigen Raum beitragen.