Landesseniorenvertretung NRW zur Kritik an der Pflegeversicherung
- »Das ist beschämend für Menschen am Ende ihres Lebens«
Seit den Anfängen der #Pflegeversicherung 1995 beteiligt sich die #Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen (LSV NRW) kontinuierlich auf verschiedenen Ebenen kritisch konstruktiv an deren Umsetzungsprozess sowie an den seitherigen Reformen. Die LSV-Mitgliederversammlung fordert jetzt von der Politik vehement Veränderungen im Hinblick auf die Finanzierungsgrundlagen, die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen und die Personalgewinnung sowie zur Flexibilisierung von ambulanter und stationärer Pflege.
Grundsätzlich, so der LSV-Vorstand zum Beschluss der Mitglieder, weise das Gesetz von Anfang an gravierende Fehlstellungen auf. Jürgen Jentsch, der LSV-Vorsitzende: »Zwar wurde damals als wichtiges Ziel benannt, Armut durch Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, doch wir sehen heute, dass durchschnittlich zwei von drei Menschen in stationären Altenpflegeeinrichtungen die Kosten dafür nicht mehr aus Renteneinkünften und den Mitteln aus der Pflegeversicherung bestreiten können und so Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. Hier verfehlt das Gesetz sein Ziel. Vor allem aber ist es beschämend für Menschen am Ende ihres Lebens.«
Der »Arbeitskreis Pflegeversicherung« der LSV hatte im Vorfeld der Mitgliederversammlung, die in diesen Tagen in Essen stattfand, einen Forderungskatalog erarbeitet, dem die Delegierten aus den kommunalen Seniorenvertretungen einhellig zustimmten. Wichtige Punkte dieses Beschlusses, der jetzt den politisch Verantwortlichen zugeleitet wird, zielen darauf, den Eigenanteil der Betroffenen zwischen Bedarf und der Deckung durch die bestehenden Absicherungen grundsätzlich und dauerhaft zu reduzieren. »Dieser Eigenanteil muss ein für alle zu Pflegenden leistbarer und gedeckelter Beitrag sein, bei dem auch die bisherige dynamische Steigerung entfällt«, so fordert die LSV eine grundsätzlich andere Finanzierung der Versicherung, etwa durch eine »Bürgerversicherung«.
Weil es ohne ausreichendes und qualifiziertes Personal keine gute Pflege geben kann, setzt sich die LSV ebenfalls dafür ein, dass der Personalschlüssel den Bedürfnissen der zu Pflegenden angepasst sein muss. »Entlastende Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte sind bedeutsam, um dem sich gerade jetzt in der Pandemie deutlich und dramatisch abzeichnenden Zukunftsproblem des Pflegekräfte-Mangels noch entgegen treten zu können«, verlangt die Landesseniorenvertretung ein zügiges Handeln der Verantwortlichen. »Ein Pflege- und Gesundheitssystem, das sich vor allem an Verlust- und Gewinnrechnungen orientiert, kann eine bedarfsgerechte und angemessene Versorgung für alle und insbesondere ältere Menschen in ihrer letzten Lebensphase nicht sicherstellen«. Die Ökonomisierung in der Pflege und Gesundheit sei deshalb ein grundlegend falscher Ansatz.
Der dritte Kritikpunkt der LSV richtet sich gegen den starren gesetzgeberischen Rahmen, in die ambulante wie stationäre Pflege gepresst seien. Hier verlangen die Vertreterinnen und Vertreter der älteren Generation innovative und flexible Lösungen, gerade auch, was Schnittstellen von Zuständigkeiten angeht. »Überreglementierungen sind abzubauen«, so die deutliche Zielrichtung, um bürokratische Prozesse zu vereinfachen.
»Es ist an der Zeit, den Finger erneut in die Wunden des Gesundheitssystems und vor allem der Pflegeversicherung zu legen«, ist die LSV NRW überzeugt. Dass sie deshalb auch jene Menschen kritisiert, die sich durch ihre Impfverweigerung gerade gegen die Schwächsten, die Kranken und Älteren in der Corona-Pandemie wenden, passt für Jürgen Jentsch gut in die Zielrichtung des Essener Mitglieder-Beschlusses: »Es geht bei einem funktionierenden, bedarfsgerechten Gesundheitssystem um Solidarität, auf die wir letztlich alle angewiesen sind«.
Jürgen Jentsch Vorsitzender