Gütsel Monk: Was, wenn Du mit einem »mittelmäßigen« Leben zufrieden bist?
Sylvia, 44, ist verheiratet, hat mit ihre Ehepartner einen gemeinsamen Sohn, und lebt in Gütersloh. Sie ist Bürofachangestellte, kocht für die Familie, und trifft sich ab und zu mit ihren »Mädels«. Zusammen gehen sie ins Kino, vor Corona sind sie auch schonmal zu Musicals gefahren oder zu Helene Fischer und Andrea Berg Konzerten, Sylvia geht mit der Familie oder dem Sohn spazieren, schaut Serien (»GZSZ« oder Netflix Serien) und liest für ihr Leben gerne Krimis. Außerdem beschäftigt sie sich ein wenig mit Mode und Schmuck, die Familie fährt normalerweise einmal im Jahr in den Urlaub, gerne in das Stammdomizil auf Rügen an der Ostsee.
Eigentlich liebt Sylvia ihr» kleines«, »langsames«, »einfaches« Leben. Glücklich ist sie vor allem zu Hause, wenn sie es sich mit einem Krimi auf dem Sofa gemütlich machen kann und hin und wieder ein Glas Rotwein genießen kann, wenn ihr Mann nicht gerade Fußball schauen will.
Eigentlich ist alles soweit in Ordnung und die Nachbarn lassen sie in Ruhe, das Weltgeschehen geschieht auch ohne sie, ihr Job ist gesichert, weil es der Firma gut geht, gesund ist die Familie auch … aber aus den Medien, aus dem Internet, besonders aus Apps wie Instagram wird sie angebrüllt, etwas »aus ihrem Leben zu machen«. Da sind nicht nur die »Influencer«, die ein angebliches Luxusleben führen und einfach so, ohne etwas zu können oder zu sein, angeblich Millionen verdienen, und auch die Werbung suggeriert, dass man nur vollständig und »erfolgreich« ist, wenn man viel Geld hat, und für das Geld dann tolle Dinge kauft, also »konsumiert«. Immer das neueste Auto, jetzt das Elektroauto, das neues iPhone, den neuesten Fernseher, der noch viel, viel besser als das Vorgängermodell ist, eine Waschmaschine mit diversem Schnickschnack und Smartphone Anbindung. Und man muss natürlich zwingend immer »gut drauf« sein und alles vermeintlich Negative muss ignoriert, abgelehnt und bekämpft werden.
Um das alles zu erreichen, was so viele angeblich erreicht haben, soll sie sich also mehr anstrengen, Gas geben, abnehmen, Karriere machen, reich werden, an sich arbeiten, »sich selbst finden«, ihre »Ausstrahlung« optimieren, ihre Unsicherheiten ablegen und endlich »selbstsicher« werden.
Sylvia soll aufgeschlossen und tolerant sein, »Respekt« haben, den Planeten und das Klima retten, die Welt bereisen (aber »grün«), sie soll bei dem Spiel mitmachen, das so tut, als sei es gottgegeben.
Aber was ist, wenn sie nicht hart »worken« und nicht hart »playen« will?
Wenn sie weder Waisenhäuser gründen will, noch in Ozeanen tauchen will, kein Business »gründen« will, keine App erfinden und für Milliarden verkaufen will? Wenn Sie vielleicht lieber für sich selbst mal ein Gedicht schreibt, und nicht, um Millionen »Follower« zu gewinnen, die ihr sinnlose Likes geben? Und wenn sie sich okay findet, auch wenn sie nicht mehr so »knackig« ist wie vor 20 Jahren?
Was ist, wenn sie das alles gar nicht will, sondern einfach zufrieden ist, so wie es nun einmal ist? Wenn ihr Chef mit ihr zufrieden ist, wenn zu Hause alles reibungslos läuft, weil ihr Mann auch mithilft und der Sohn gut gerät? Wenn sie mit ihrem »mittelmäßigen Leben«, für das es angeblich alle halten, im Reinen ist und sie das Streben nach »mehr« nur deprimiert und auslaugt? Denn dieses »Mehr« ist ja meist sowieso nur Geld und Konsum. Oder Ruhm und Macht. Aber wirklichen Ruhm und wirkliche Macht haben nur wenige. Der schnelle Ruhm ist genauso schnell vorbei, wie er gekommen ist. Manche »Stars«, denen das bewusst wird, bringen sich um, zerbrechen daran oder flüchten sich in Drogen oder Alkoholkonsum et cetera. Dafür gibt es genug Beispiele.
Ist Sylvia nicht gut genug? Doch, ist sie. Und ihr »kleines« Leben ist es auch. Wenn sie alt ist, wird sie es nicht bereuen, einfach sie selbst gewesen zu sein und die Momente genossen zu haben, die sie genossen hat. Die meisten Wege sind nicht schlechter als die meisten anderen Wege. Sie sollten aber zu uns passen.
Die Essenz des Buddhas auf den Punkt gebracht ist: »What is, is. What is not, is not«.
Und Glück ist, der sein zu wollen, der man ist. Denkt mal darüber nach, was das bedeutet.
Euer Gütsel Monk