Die letzten Wikinger fahren in der Hochseefischerei, Ausstellung über Cuxhavens Fischerei 1960 bis 1990 im Museum »Windstärke 10«
Cuxhaven, 18. Februar 2022
»Die letzten Wikinger fahren in der Hochseefischerei« – mit dieser Werbung lockte der Verband der Hochseefischer in den 1960er Jahren zahlreiche junge Männer als Arbeitskräfte an Bord der Fangschiffe. Hochseefischerei stand damals wie heute für harte Arbeit in den rauen Gewässern des Nordatlantik, aber auch für die Möglichkeit, schnell gutes Geld zu verdienen.
Die deutsche Hochseefischerei befand sich Anfang der 1960er Jahre in einer tiefgreifenden Umbruchphase. Die sich immer mehr bemerkbar machende Überfischung zwang zu einer deutlichen Ausweitung der Fanggebiete. Ein neuer leistungsstärkerer Schiffstyp machte dies möglich: der Heckfänger. 1960 wurde mit dem FMS Hessen auch in Cuxhaven das erste Fangschiff dieser neuen Generation in Dienst gestellt.
Schnell entwickelten sich die #Heckfänger zu schwimmenden Fabriken. Auf einem eigenen Deck wurde der Fang maschinell filetiert und anschließend in Blöcken tiefgefroren. Erstmalig in der deutschen Hochseefischerei war nun auch personell die Arbeit an Deck von der Verarbeitung des Fisches getrennt. Hatten die Crews auf den alten Fischdampfern meist aus 23 Seeleuten bestanden, so vergrößerte sich die Besatzung der Fangfabrikschiffe nun auf bis zu 75 Mann. Unter ihnen waren auch zahlreiche Portugiesen, die als erfahrene Seeleute und Fischwerker geschätzt wurden.
Wer sich dafür entschied, auf einem der neuen Fangschiffe anzuheuern, der musste dem Leben an Land für bis zu drei Monate Lebewohl sagen. Wochenenden gab es an Bord nicht, gearbeitet wurde in einem Schichtsystem rund um die Uhr. Freizeit war knapp, der Rhythmus von Fang und Verarbeitung ließ gerade genug Zeit für Mahlzeiten und Schlaf.
Die deutlich effektiveren Fangtechniken der modernen Trawler führten dazu, dass die ohnehin unter Druck stehenden Fischbestände noch schneller dezimiert wurden. Die Küstenländer reagierten mit einer deutlichen Ausweitung ihrer nationalen Fangzonen. Vorreiter war dabei Island, das 1958 sein territoriales Seegebiet auf 12 Seemeilen ausdehnte und damit den ersten »Kabeljaukrieg« auslöste. Die deutschen Fischer waren vor allem vom 2. Kabeljaukrieg betroffen, der 1972 als Antwort auf die isländische Sperrung einer Zone von 50 Seemeilen rund um die Insel für ausländische Trawler entbrannte. Alle Proteste sollten jedoch nichts nützen. 1975 weitete Island seine Zone auf 200 Seemeilen aus, bis 1977 zogen die meisten anderen Küstenstaaten nach.
Die Auswirkungen für die deutsche Hochseefischerei waren dramatisch: Ein großer Teil der angestammten Fangplätze durfte nun nicht mehr befischt werden, für die verbliebenen Gebiete bestanden strenge Regeln zur Schonung der Fischbestände. Nur über internationale Abkommen mit verschiedenen Küstenstaaten konnte die deutsche Hochseefischerei überhaupt aufrechterhalten werden. Für die seit dem Ende der 1960er Jahre durch Absatzkrisen und Wirtschaftskrisen ohnehin schon in Bedrängnis geratene Hochseefischerei kam dies einer Katastrophe gleich.
Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre gingen die Anlandemengen drastisch zurück, Trawler um Trawler wurde verkauft. Ende 1985 wurden die restlichen in #Cuxhaven verbliebenen Schiffe in eine Auffanggesellschaft, die Deutsche Fischfang Union (DFFU), überführt. Die Zeit, als die Hochseefischerei das Leben in Cuxhaven dominiert hatte, ging ihrem Ende zu.
»Windstärke 10«, Cuxhavens maritimes Museum, hat diesem spannenden Teil der Fischereigeschichte nun eine eigene Ausstellung gewidmet. »Die letzten Wikinger fahren in der Hochseefischerei« ist dort vom 27. Februar bis zum 30. Oktober 2022 zu sehen. Mit anschaulichen Inszenierungen, authentischen Exponaten und zahlreichen Fotos wird dieser wichtige Abschnitt der Cuxhavener Geschichte wieder lebendig. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Förderverein »Schifffahrtsgeschichte Cuxhaven«. »Zum Begleitprogramm und den aktuellen Öffnungszeiten informieren Sie sich bitte unter www.windstaerke10.net.«