Fernsehphilosoph Richard David Precht stellt Sinn ukrainischen Widerstandes infrage
- Alle 18 bis 60 jährigen Ukrainer dürfen das Land aktuell nicht verlassen, sie sollen kämpfen
- Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht hat diese Einstellung der ukrainischen Regierung infrage gestellt
- Twitter User im Netz regen sich teils auf, teils nicht auf, teils ignorieren sie es
In einer aktuellen Folge des #ZDF #Podcasts »Lanz & Precht« hat Precht die Entscheidung der ukrainischen Regierung, die Bevölkerung zur Verteidigung des eigenen Landes aufzurufen, als falsch bezeichnet. Wolodymyr Selenskyj nehme in Kauf, dass viele durch den russischen Angriffskrieg ihr Leben verlören – durch einen Krieg, »den man nicht gewinnen kann«, sagte Precht in dem Podcast.
Zu Markus Lanz (sprich: seinem Gesprächspartner in besagtem Podcast) sagte er: »Das ist falsch, Markus, und das bleibt falsch!«. Er betonte, dass die Selbstverteidigung eines Einzelnen gegen einen russischen Angriff nicht das Gleiche sei wie die Durchhalteparolen eines Präsidenten, »der sein Volk in einen Krieg schickt, den es verlieren muss«, und weiter: »Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit, einzusehen, wann man sich ergeben muss.« Lanz erwiderte, man sei sich in diesem Punkt nicht einig.
Einige #Twitter User empören sich insbesondere über die Annahme, die #Ukraine habe keine Aussicht auf Erfolg. Eine Userin twitterte: »Richard David Precht findet, die Ukraine müsse sich ergeben, weil sie den Krieg nicht gewinnen kann. Nach der Logik können wir die Schlüssel für Deutschland direkt an Putin übergeben, denn mit unserer Bundeswehr könnten wir aktuell nicht mal einen Krieg gegen Disneyland gewinnen.«
Der Twittererin ist entgegenzuhalten, dass »Putin« das Besagte nicht tut. Ihre Pseudologik hat keinen Übergriff in die Realität. Und ihrer Pseudologik ist ebenfalls entgegenzuhalten, dass wir tatsächlich dann auch gleich freiwillig ins Grab springen könnten. Die »Gegenseite« freilich auch.
Der Soziologe und Extremismusexperte Matthias Quent bezieht sich vermeintlich auf Bertolt Brecht und sagt »›Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.‹ Brecht statt Precht«. Der ehemalige Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm, schrieb: »Zahlt das ZDF Precht eigentlich irgendwas für den Blödsinn, den er im Podcast ins Mikro sagt?« Einige Twitterer verteidigten Precht, beispielsweise mit dem Tweet: »Ich mag Precht überhaupt nicht, aber diese Aussage ergibt in dem Kontext, den er genannt hat, Sinn. Aber gut, wir reißen halt gerne Aussagen aus dem Kontext.«
Der besagte Quent missversteht das, was er sagt, hingegen völlig und missbraucht die Aussage aufs Niederträchtigste. Der Bundesschülerkonferenzgeneralsekretär sondert eine empörte Meinung in Frageform ab, die er nicht begründet und darlegt, die sich offenbar von selbst verstehen soll.
Das Ganze ist eben immer Dasselbe, die teuflische Logik, der Imperativ, der den Menschen zum Krieg zwingt (siehe auch »Der Antihering in Gütersloh«).
Da reicht’s eben etwa bei Precht nicht, bei Lanz schon gar nicht, bei den anderen zitierten erste Recht nicht. Eben offensichtlich bei zu wenigen, denn wie wir sehen, finden Kriege eben statt. Freilich sind alle Beteiligten, wenn man sie fragt oder auch ungefragt, dagegen, wollen das alles nicht, tun es aber dennoch, etwa weil sie Befehle befolgen (was sie vermeintlich tun müssen).
Das alles lässt sich psychologisch herleiten. Ebenso die weitverbreitete Übersprungshandlung der Hilfswelle.
Die ukrainische Regierung hat zu Beginn der russischen Invasion verfügt, dass alle 18 bis 60 Jährigen Männer (sic!) das Land nicht verlassen dürfen. Stattdessen hatte der Präsident der Ukraine, ein bekannter und beliebter Fernsehkomiker, seine Landsleute zum Widerstand aufgerufen.
Schließlich liegt beim aktuellen Ukraine Krieg, wie bei jedem Krieg, für beide Seiten klar auf der Hand, wer der »Gute« und wer der »Böse« ist, was falsch und richtig ist. Was freilich ebenso auf der Hand liegt, ist, dass Kriege gewollt sind, sonst fänden sie nicht statt. Und dass die Leute, die schießen, dieselben sind, die dagegen sind, die dafür sind, und die das alles gleichzeitig für absolut falsch und vollkommen richtig halten.
Der Mensch ist zu dumm, um Krieg nicht zu führen. »Du bist gegen Krieg? Dann führe keinen Krieg. Dann beende den Krieg in Deinem Kopf«, sagte jemand, der weiß, dass es in diesem Universum nur eine Möglichkeit gibt, Kriege nicht stattfinden zu lassen. Jemand anderes sagte: »Es gibt nichts Ehrenvolles im Krieg, außer dem Sieg«. Karl Kraus sagte: »Krieg – das ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.« Dem ist lediglich hinzuzufügen, dass es so ist, immer so war, und immer dasselbe ist. Und dass diejenigen, die in den Krieg ziehen, das zuerst fröhlich und voller Überzeugung und Abenteuerlust tun. Krieg hat für viele zunächst immer auch den Aspekt des Campings. Für andere Beteiligte und nur mittelbar Beteiligte den eines »Jobs« oder etwa den einer Amtshandlung nach Vorschrift. In aller Regel geben etwa die letztlich Verantwortlichen selbst nicht einen einzigen Schuss ab (schlechterdings nur einen, was Beispiele zeigen).
Siehe auch »Gütersloh, Psychologie in Gütsel, Homo laber« …