Erschütterndes Mahnmal und bedeutendes Denkmal, LWL zeichnet jüdischen Friedhof in Warburg Denkmal des Monats April 2022 aus
Warburg (LWL) Es ist ein erschütterndes Monument: Das Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof in Warburg (Kreis Höxter) in Form einer stumpfen Pyramide ließ Edmund Balsam im September 1945 aus den Bruchstücken der Gräber bilden. Diese und weitere Erkenntnisse über den Friedhof und seinen Erbauer haben LWL-Denkmalpfleger im Festjahr »1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland« zusammengetragen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) würdigt den Friedhof jetzt als »Denkmal des Monats April«.
Die Inschrift auf der Schmalseite des Denkmals lautet: »Erbaut im September 1945« und »Proj.: Dipl. Ing. Edmund Balsam, Krakau | Ausgef.: Hch. Wiegand, Warburg«. Bis vor wenigen Monaten war über Balsam wenig bekannt. Deshalb hat sich #LWL #Denkmalpfleger Dr. Christoph Heuter auf Spurensuche in den Archiven begeben. Er hat herausgefunden, dass Balsam im Jahr 1888 in Wilamowice (ehem. Wilmesau, Schlesien) geboren wurde und später als Landvermesser im Raum Krakau tätig war. »Nach Warburg kam Edmund Balsam als polnischer Offizier, wo er im Zweiten Weltkrieg im Offizierslager Dössel bei Warburg interniert war«, so Heuter. »Nach Kriegsende stellte er im Auftrag der jüdischen Gemeinde die jüdischen Friedhöfe in Warburg, Höxter und Beverungen wieder her.«
Auf einer Tafel am Warburger Mahnmal steht die Inschrift: »Zum Andenken an die Opfer der verhängnisvollen Jahre 1933 bis 1945, die Überlebenden des Kr. Warburg«. Dazu sagt Heuter: »Die Inschrift lässt das Bemühen um Versöhnung erahnen - mit dem Wort 'verhängnisvoll' vermeidet sie aber eine Anklage der Verbrechen. Fast beschwörend«, so der Denkmalpfleger weiter, »wirken die einzelnen Worte, die auf den Grabsteinfragmenten zu erkennen sind: ›Friede‹, ›glücklich‹, ›Gerechten‹, außerdem hebräische Schriftzüge und Symbole wie Davidsterne, segnende Priesterhände und Palmwedel.«
Neben der Errichtung des Mahnmals koordinierte Balsam die Wiederherstellung des Friedhofs insgesamt. »Mit 285 Grabstätten gehört der Friedhof in Warburg zu den großen und bedeutenden Beispielen seiner Art in Westfalen«, so Heuter. »Viele Steine wurden in der Pogromnacht des 9. November 1938 erheblich beschädigt. Einige Steine ließ Balsam fragmentiert wiedererrichten, viele waren aber verloren.«
Aus dem Kunststein Zechit ließ Balsam 54 Ersatzsteine herstellen, die nur mit Namen, Lebensdaten und Davidstern versehen sind, die Gräber ließ er mit Randsteinen einfassen. Damit habe Balsam dem Friedhof eine neue »Zeitschicht« hinzugefügt. »Viele Denkmäler verbleiben ja nicht in einem ›Originalzustand‹, sondern haben im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren, die selbst zum Denkmalwert beitragen können«, so Heuter weiter.
Heute zeigt der Friedhof hohen Sanierungsbedarf. Statische Sicherungen sind nötig, Inschriften drohen, verloren zu gehen. Daher hat die Stadt Warburg zusammen mit der LWL Denkmalpflege ein Sanierungskonzept erarbeiten lassen, um weitere Substanzverluste zu vermeiden und den derzeit gesperrten Friedhof wieder zugänglich zu machen. »Anders als oft behauptet, sind jüdische Friedhöfe nicht dem Verfall preiszugeben, sondern die Gräber sind für die Ewigkeit geschaffen«, sagt Heuter. »Dass im jüdischen Kultus keine Grabpflege im christlichen Sinne üblich ist, kann keine Entschuldigung für Untätigkeit sein: Es ist unser aller Verantwortung, die Erinnerung an die Menschen zu bewahren, die durch den Rassenwahn unserer Gesellschaft entrissen wurden.«