Theater Bielefeld, »Die Entführung aus dem Serail«, Premiere am 4. Juni 2022, 19.30 Uhr
- Deutsches Singspiel in 3 Aufzügen
- Text nach Christoph Friedrich Bretzner von Johann Gottlieb Stephanie dem Jüngeren
- Fassung von Anna Bernreitner
- In deutscher Sprache mit Übertiteln
Eben noch schien das Leben von Konstanze und Belmonte bis ins Letzte vorhersehbar zu sein: Hochzeit, gesellschaftliches Ansehen, Kinder – folglich eine beständige Gemeinschaft, »bis dass der Tod euch scheidet«. Doch plötzlich steht alles in Frage und ein alternativer Lebensentwurf im Raum. Getrennt voneinander fühlen Konstanze und Belmonte sich zwar verloren, es quält die Sehnsucht nach dem anderen, aber auch die Frage: War es überhaupt Liebe – oder nur angenehme Gewohnheit? Durch die Begegnung mit der eigenen Seelenwelt wird das Paar fast mehr geängstigt als durch reale äußere Bedrohungen, wovon nicht nur die berühmte Marternarie Zeugnis ablegt. Und nicht nur diese beiden müssen sich im vielschichtigen Dickicht der Gefühle behaupten.
Bei allem humorvollen Unterhaltungswert zeichnet Wolfgang Amadeus Mozart in seinem 1782 uraufgeführten Singspiel Figuren von vielschichtiger Emotionalität. Um die Personen ihrer gewohnten Umwelt und den gesellschaftlichen Zwängen zu entreißen, versetzte der Komponist sie in das titelgebende Serail, einen Ort, in dem für Europäer fremde, undurchschaubare Regeln gelten, in dem angesichts realer oder imaginierter Todesnähe der Blick unweigerlich auf das eigene Selbst gelenkt wird, Verzweiflung und Euphorie nahtlos ineinander übergehen können.
Diese Gefühlswelt zu ergründen, ist auch das Anliegen von Regisseurin Anna Bernreitner und ihrer Bühnen und Kostümbildnerin Eva-Maria van Acker. Statt eines realen Gefängnisses, aus dem es Versklavte zu befreien bzw. zu entführen gilt, nehmen sie die inneren Gefängnisse in den Blick. Welche Glaubenssätze, welche gesellschaftlichen Konventionen tragen die Figuren mit sich herum? In einem märchenhaften Wald, in dem Realismus und Illusion verschwimmen, werden alle mit ihren ureigenen Wünschen und Ängsten konfrontiert – und erhalten durch die Begegnung mit anderen die Chance, zu reifen und sich selbst zu befreien.
Als auseinandergerissenes Paar Konstanze und Belmonte stellen sich die griechische Koloratursopranistin Dimitra Kotidou und das neue Ensemblemitglied Andrei Skliarenko erstmals in Bielefeld vor. Ein Dritter in einer Zweierbeziehung wirkt oft wie ein Brandbeschleuniger: Der emotional aufbrausende Osmin (alternierend gesungen von Moon Soo Park und Yoshiaki Kimura) signalisiert starkes Interesse an Blonde (Veronika Lee), doch eigentlich gehört deren Herz seit Jahren schon Pedrillo (Lorin Wey). Oder vielleicht doch nicht? Und auch wenn Bassa Selim (Nikolaj A. Brucker) über den Ereignissen zu stehen scheint, trägt auch er noch die Verletzungen der Vergangenheit in sich.
Unter der musikalischen Leitung von GMD Alexander Kalajdzic spielen und singen die Bielefelder Philharmoniker, der Bielefelder Opernchor und die Statisterie des Theaters Bielefeld, weitere Termine 6. Juni, 9. Juni, 16. Juni, 19. Juni 2022, Wiederaufnahme am 9. Oktober 2022, Kartentelefon +49521515454