Der Schlesische Weberaufstand 1844, Weberromane, Weberdramen, Webergedichte

Der schlesische Weberaufstand von 1844 war weder der erste Weberaufstand in der Region des Eulengebirges noch der heftigste. Bereits 1785/1786, 1793 und 1798 hatte es teils größere Aufstände gegeben. Die Besonderheit des Aufstandes von 1844 war die Aufmerksamkeit, die er erregte. Zeitgenössische Publikationen und Literatur verarbeiteten und diskutierten das Thema ausgiebig. In diesem Sinne kann der schlesische Weberaufstand vom 4. bis zum 6. Juni 1844 in einen Zusammenhang mit der 1848 einsetzenden Revolution gebracht werden, da er wesentlich zur Herausbildung von politischen Meinungsbildern beitrug.

Grund des Weberaufstandes

Die Provinz Schlesien war 1742 durch Preußen annektiert worden. Deshalb blieben die neuen Untertanen länger als anderswo an die adligen Grundherren gebundene Häusler und die »Bauernbefreiung« wurde 1807 nur unvollständig umgesetzt. 2 Drittel der schlesischen Bevölkerung waren noch einem Gutsherren unterworfen und mussten Feudalabgaben wie Grundzins, Webzins, Schulgeld et cetera. entrichten. Die schlesischen Weber versuchten, den Preisverfall ihrer Waren durch Quantität wettzumachen, doch selbst Kinderarbeit und die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit schufen keinen Ausgleich, insbesondere da die Qualität der Produkte weiter sank. Technische Neuerungen und modernere Webstühle, wie es sie im Ausland teils bereits gab, konnten keine Abhilfe schaffen, da die Heimweber sie nicht finanzieren konnten. Zudem war das Eulengebirge einer der dichtestbevölkerten Beyzirke Schlesiens, Peterswaldau hatte knapp 6.000, Langenbielau etwa 12.000 Einwohner. Folglich herrschte ein Überschuss an Arbeitskräften. Trotzdem ging es den in Peterswaldau und Langenbielau angesiedelten Baumwollwebern noch vergleichsweise besser als den schlesischen Leinenwebern, die bereits vollkommen verarmt waren und hungerten.

In Peterswaldau und Langenbielau lebten vor allem vorindustrielle Heimarbeiter, die vorwiegend Baumwollwaren herstellten. Wirtschaftlich war ihre Existenz jedoch von sogenannten Verlegern abhängig. Während die Verleger, in der Regel vermögende Kaufleute, Garn auf dem Markt aufkauften, sollten die Baumwollweber daraus zu einem vereinbarten Preis die gewünschten Stoffe produzieren. Für ihre Ware wurden die Heimarbeiter entlohnt und der Verleger verkaufte die Baumwollprodukte weiter. Obwohl die schlesischen Baumwollweber im Gegensatz zu den Leinwebern und Leinspinnern zu den bessergestellten Arbeitern gehörten, fürchteten sie um ihren Lohn und ihre berufliche Selbstständigkeit. Wegen der Überproduktion im Textilgewerbe kam es in den 1840er Jahren immer wieder zu Lohnkürzungen durch die Verleger, besonders durch den größten Unternehmer in Peterswaldau, Ernst Friedrich Zwanziger. Die Forderungen der Weber richteten sich dabei auf gerechten Lohn und eine angemessene, würdige Behandlung durch die »Fabrikanten«.

Verlauf des Weberaufstands von 1844

Am 3. Juni 1844 trafen sich etwa 20 Weber aus Peterswaldau und umliegenden Ortschaften auf dem Kapellenberg und berieten, wie man sich gegen die Fabrikanten wehren könne. Sie zogen daraufhin, das »Spottlied Blutgericht« singend, vor die Fabrik der Gebrüder Zwanziger, die als Verleger tätig waren und die Löhne gekürzt hatten. Die Fabrikanten Ernst Friedrich und August Zwanziger ließen ihre Diener, mit Steinen und Knüppeln ausgerüstet, den kleinen Zug vertreiben und außerdem den Weber Wilhelm Mädler von der Ortspolizei verhaften.

Mit dem Ziel, die Freilassung Wilhelm Mädlers und eine Lohnerhöhung zu erreichen, bildete sich am 4. Juni 1844 ein Protestzug, dem sich fast alle Heimweber der Umgebung anschlossen. Die Weber wählten zur Verhandlung eine Delegation; das Gespräch mit dem Landrat des Kreises Reichenbach blieb allerdings ergebnislos. Als sie vor dem Gebäude der Zwanzigers ankamen, waren diese gerade abwesend. Die Menge stürmte daraufhin wütend das Haus der Zwanzigers und zerstörte die gesamte Einrichtung. Ebenso wurde im Verwaltungshaus, im Lagerhaus und in der Fabrik gewütet. Die Familie Zwanziger floh daraufhin nach Breslau. Der Fabrikant Wagenknecht blieb hingegen unbelästigt und wurde wegen des »gerechten« Lohnes sogar gelobt.

Am 5. Juni 1844 konnten sich die Fabrikanten Fellmann und Hoferichter durch Geldzahlungen, Brot und Speck »freikaufen«. Die Schar zog weiter nach Langenbielau zu den Fabrikanten Andretzky und Hilbert. Diese waren verhasst, ihre Anwesen wurden verwüstet. Dierig, der auch wegen der ausschließlich dort beschäftigten auswärtigen Arbeiter ins Visier der Aufrührer geraten war, bezahlte die eigenen Arbeiter, um gegen die anrückenden Weber vorzugehen. Zudem versuchten die Gebrüder Dierig, die Menge durch Geldausteilungen zu beruhigen.

Eine königliche Kabinettsorder wies den Kriminalsenat des Oberlandesgerichts Breslau an, »mit allem Fleiß … die Aufwiegler zu entdecken und zur Bestrafung zu ziehen«. Zwischenzeitlich hatten die Behörden das Eingreifen des preußischen Militärs veranlasst und die Situation geriet außer Kontrolle. Der kommandierende Offizier ließ in die Menschenmenge schießen. Zehn Männer und eine Frau wurden getötet, weitere 24 schwer verletzt. Dieses Vorgehen schürte eher noch die Wut und es kam zu hilflosen Plünderungen. Die Einheit wich zunächst der mit Knüppeln und Steinen bewehrten Menge, nach dem Eintreffen der Verstärkung wurde der Aufstand am 6. Juni 1844 niedergeschlagen.

Bei der Verurteilung gehörte die Sympathie der Richter ganz offensichtlich nicht den Unternehmern oder der staatlichen Seite, vielmehr betonte die Urteilsfindung die »drückende Not« der Weber als Milderungsgrund. Insgesamt blieben die Richter unter den möglichen Höchststrafen und verzichteten weitgehend auf Körperstrafen. Die Kosten des Verfahrens mochten die Richter nicht den armen Webern aufbürden; stattdessen verpflichteten sie dafür die Dorfgerichte und damit letztlich die Gutsherren.

Reaktion Friedrich Wilhelms IV.

Nach außen bekundete König Friedrich Wilhelm IV. zwar leutselig seine Anteilnahme am Schicksal der Heimarbeiter und lobte bürgerliche Hilfsvereine. Ende Juli 1844 reiste Friedrich Wilhelm zu seinem schlesischen Sommersitz in Erdmannsdorf, verkündete, dass er die Notlage der Weber untersuchen lassen werde und zeigte bei der Berliner Gewerbeausstellung auffallendes Interesse an Leinengewebe und Baumwollgewebe. Hinter dieser Fassade fürchtete er jedoch zunehmend einen Volksaufstand, der von kommunistischen Revolutionären und der oppositionellen Presse geplant werde. Auch das erste Attentat auf seine Person brachte der König mit schlesischen Webern in unmittelbaren Zusammenhang.

Wilhelm Stieber schrieb in seinem »Practischen Lehrbuch der Criminal Polizei«, A. W. Hayn, Berlin, 1860, dass Graf von Arnim-Boitzenburg Pelz zuerst wegen »literarischer Aufreizungen«, dann wegen frechen und unehrerbietigen Tadels und Verspottung der Landesgesetze verfolgte. Am 24. Juli 1844 wurde Eduard Pelz in Schweidnitz verhaftet. Pelz Ehefrau Henriette Pelz versuchte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. persönlich, um ihn zu bitten, ihren Mann aus der Haft zu entlassen. Der König lehnte das ab. Hennriette wandte sich am 13. August an Bettina von Arnim ihr zu helfen. 1845 wurde er mit Urteil des »Kriminalsenats« des Oberlandesgerichts in Breslau gegen den ehemaligen Buchhändler, jetzigen Bauerngutsbesitzer Eduard Pelz vom 24. Februar 1845 wegen frechen und unehrerbietigen Tadels und Verspottung der Landesgesetze und Anordnungen im Staate sowie Majestätsbeleidigung und Urteil des zweiten Senats des gleichen Gerichts gegen Pelz vom 19. August 1845 bestraft.

Zwar sah man im Umfeld des Königs davon ab, kritische Schriftsteller in Schlesien präventiv zu verhaften und auszuweisen, jedoch war sich die Regierung darin einig, den schlesischen Zensoren genauestens vorzuschreiben, was über den Weberaufstand berichtet werden durfte. Am 13. Juni 1844 entwarf der König selbst, beraten durch den Staatsminister von Thile, den Wortlaut der entsprechenden Instruktion und ersetzte die ursprünglich geplanten detaillierten Anweisungen durch das allgemein gehaltene Verbot, »die unteren gegen die höheren Stände, die Ärmeren gegen die Wohlhabenden aufzuregen«. Die wenigen Berichte, die in den Wochen nach der Erhebung in Schlesien erschienen, verzichteten tatsächlich völlig auf Schilderungen der Not. Statt strukturelle Missstände anzugehen, konzentrierten sich die Maßnahmen des Königs allein auf die Suche nach den Hintermännern der vermeintlichen Verschwörung.

Interpretation des Weberaufstandes

Es handelte sich um eine typische frühindustrielle Arbeiterunruhe, für die weder eine Interpretation als klassische Hungerrevolte noch als Maschinensturm oder Klassenkampf angebracht scheint. Bei den in die Revolte verwickelten Webern handelte es sich um Baumwollweber. Während die schlesischen Leinenweber in dieser Zeit bereits völlig verarmt waren und hungerten, ging es den Baumwollwebern im Vergleich zu diesen besser. Christina von Hodenberg verdeutlicht, warum zwei der klassischen Interpretationen nicht plausibel sind. So handelte es sich nicht um eine Maschinenstürmerei, denn die Wut der Weber richtete sich nicht gegen die noch spärlichen »Maschinen«, sondern gegen die als ungerecht empfundenen Verleger. Gegen die Interpretation des Aufstandes als Klassenkampf spricht wiederum, dass die Zerstörungen gegen bestimmte Verleger gerichtet waren, während andere ganz verschont blieben oder sich »freikaufen« konnten. Die Weber begegneten den traditionalen Autoritäten wie dem Gutsherrn oder dem Landrat mit Ehrerbietung; ihren Zorn erregte hingegen der neureiche Aufsteiger Zwanziger, der wie sie ein Weber gewesen war und dessen Reichtum sie als Affront verstanden. Zudem richtete sich die Empörung der Weber auch gegen ihresgleichen: und zwar gegen Weber, die von außerhalb kamen und mit ihrer Konkurrenz die Situation zusätzlich erschwerten. Hodenberg resümiert: »Als Erscheinung des Übergangszeitalters muss der Weberaufstand daher als traditionsverhaftet und zukunftsgerichtet zugleich wahrgenommen werden. […] dann wird als wesentliche Treibkraft des Aufruhrs von 1844 die Mentalität der Selbständigkeit erkennbar. Sie ist geeignet, die bis heute dominanten, verfälschenden Deutungsmotive ›Hunger‹, ›Verzweiflung‹, ›Klassenkampf‹ und ›Maschinenhass‹ abzulösen.«

Vom schlesischen Aufstand führte kein direkter Weg zur Revolution von 1848. Der Protest der Weber zielte auf Lohnerhöhungen und die Abstrafung maßloser und ungerechter Fabrikherren. Die soziale Ordnung stellten sie nicht in Frage.

Die schlesischen Weber (Weberlied), Heinrich Heine

Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
     Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
     Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
     Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
     Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
     Wir weben, wir weben!

Auch gesungen von Katja Ebstein, mehrExternal Link

Das Hungerlied, Georg Weerth

Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.

Und am Mittwoch mussten wir darben
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!

Drum lass am Samstag backen
Das Brot fein säuberlich –
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen, o König, dich!