Jubiläumsausstellung »In Herz und Hand«, 275 Jahre Fürstenberg, Schätze aus Privatbesitz

  • Ein Gespräch mit Dr. Christian Lechelt, Leiter Museum Schloss Fürstenberg

Fürstenberg, Juli 2022

Zum 275. Jubiläum der Porzellanmanufaktur Fürstenberg zeigt das Museum Schloss Fürstenberg in der Ausstellung »In Herz und Hand« einzigartige Porzellan Schätze aus Privatbesitz. Darunter befindet sich auch das sogenannte »Holländische Service« aus dem 18. Jahrhundert, das erstmals in Deutschland ausgestellt wird. Warum ein Porzellan aus Fürstenberg diesen Namen trägt und wie es letztlich zurück an den Ort seiner Produktion gelangte, verrät Dr. Christian Lechelt und gibt damit einen kleinen Einblick in die vielen Geschichten, die die Porzellane der Ausstellung erzählen.

Herr Dr. Lechelt, warum ist das »Holländische Service« eines der Highlights der Ausstellung?

Das Service entstand 1773/74. Es ist mit 185 Teilen das größte zusammengehörige Service, das von Fürstenberg aus dem 18. Jahrhundert erhalten ist. Angefertigt wurde es für einen unbekannten niederländischen Kunden, es ist im Manufakturarchiv sogar dokumentiert. Alle Teile sind mit aufwändigen Landschaftsmotiven bemalt, insgesamt sieben Maler – darunter auch der berühmte Pascha Weitsch – waren an der Anfertigung beteiligt. Nachdem das Service 1774 an den Kunden abgeliefert wurde, verschwand es von der Bildfläche. Erst zu Beginn der 1960er Jahre tauchte es im Kunsthandel auf, wo es die Eltern der heutigen Besitzererwarben. Was mag das Service in diesen fast 200 Jahren wohl erlebt haben? Dass es so umfangreich, beinahe vollständig, erhalten geblieben ist, zeigt, dass das Service eine außerordentliche Wertschätzung erfahren haben muss. Die Stücke zeigen kaum Gebrauchsspuren.

Sie haben die #Ausstellung mit dem #Freundeskreis Fürstenberger #Porzellan und den Sammlern gemeinsam kuratiert. Wie verlief die Zusammenarbeit?

Bereits 2019 haben wir mit den ersten Ãœberlegungen und der Ideensammlung begonnen. Es folgten 2 Jahre Konzeptentwicklung, Sammlungsbesuche und das Zusammentragen von geeigneten Objekten aus den diversen Privatsammlungen. Wiederholte Videokonferenzen dienten der eifrigen Diskussion, so dass die Entwicklung der Ausstellung nicht »im stillen Kämmerlein« stattfand, sondern als offener, partizipativer Prozess. Konzept und Objektauswahl standen im Herbst 2021. Es berührt zutiefst, einer so geballten Passion zu begegnen, die eine 275 jährige Porzellanmanufaktur als das begreift, was sie ist: ein unabdingbares Kulturgut und dadurch heute und in Zukunft so relevant wie zum Zeitpunkt ihrer Gründung.

Fürstenberg ist heute eine moderne Manufaktur, die vor allem für zeitgemäße Tischkultur bekannt ist. Welche Werte, die heute noch die Manufaktur prägen, vermitteln die historischen Stücke?

Insbesondere die vielen hervorragenden Objekte aus dem 18. Jahrhundert erinnern daran, dass Fürstenberg eine Manufaktur von internationalem Rang bereits in dieser Zeit war. Außerdem illustrieren sie eindrucksvoll, wie die Manufaktur immer am Puls der Zeit war und sich stets auf die Wünsche, Interessen und Bedürfnisse des Publikums eingestellt hat. Dies zeigt sich auch besonders an den sehr vielfältigen, opulenten »Luxusporzellanen«, die in den 1920er Jahren in dem Zweigbetrieb für Porzellanmalerei in Dresden geschaffen wurden. Erstmals werden diese Objekte in Fülle in einer Ausstellung gezeigt und das Thema überhaupt herausgestellt.

Es gibt Fürstenberg Porzellan sogar im Besitz der englischen Königin. Kann man davon etwas im Museum sehen?

Dank des großzügigen Engagements der Richard Borek Stiftung in Braunschweig können wir 15 Teile aus dem Service mit braunschweigischen Landschaften zeigen, das von 1763 bis 1769 für Herzog Carl I. angefertigt wurde. Nach seinem Tod wurde das Service 1794 geteilt: die Herzogin Augusta schenkte eine Hälfte des Services ihrer Tochter Prinzessin Caroline von Braunschweig als Mitgift zu ihrer Hochzeit mit dem Prinzen von Wales, dem späteren König Georg des 4. von England. Deshalb befindet sich diese Servicehälfte bis heute auf Schloss Windsor im Besitz der englischen Königin. Die andere Hälfte muss zu einem unbekannten Zeitpunkt veräußert worden sein, denn es tauchten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert einige Konvolute daraus auf dem Markt auf. Die ausgestellten 15 Stücke sind die jüngst wieder aufgetauchten Objekte aus diesem so bedeutenden Service.

Das Besondere an diesem Service ist, dass als Vorlage für den Maler

Pascha Weitsch keine beliebigen Kupferstiche dienten, sondern Skizzen, die er auf ausgedehnten Wanderungen durch das Herzogtum angefertigt hatte. Jedes Stück des Services ist mit einer anderen Ansicht eines Dorfes, einer Stadt oder eines Landstrichs bemalt, die Motive sind auf den Stücken sogar bezeichnet. Mit dem Service hatte der Herzog sein Herrschaftsgebiet bildlich auf die Tafel geholt.

In der Ausstellung befindet sich auch eine Schale mit einer Malerei sich prügelnder Bauern. Was hat es damit auf sich?

Das ist eine Spülkumme mit bäuerlicher Genredarstellung, die um 1760 gefertigt wurde. Es mutet sehr kurios an, auf einer feinen Schale in aufwändigster Malerei eine Szene sich prügelnder Bauern zu sehen. Solche Genremotive erfreuten sich im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit. Einerseits waren sie als begehrte Gemälde von niederländischen Künstlern wie David Teniers Teil der herrschaftlichen Kunstsammlungen. Andererseits illustrieren sie das Interesse am vermeintlich »einfachen«, ländlichen Leben abseits der Hofetikette. Die starren Regeln des Zeremoniells zu verlassen, wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend zum Thema. Der Adel schuf sich mit künstlichen Bauerndörfern in den Parks Refugien oder löste die Regeln auf bei Maskeraden, die eine temporäre Befreiung von den zeremoniellen Zwängen erlaubten.

Wie schlagen Sie mit der Jubiläumsausstellung die Brücke zum Heute und Morgen der Manufaktur?

Mit der #Ausstellung und unserem ganzen #Museum wollen wir zu einem vertieften Verständnis von Manufakturarbeit beitragen. Einem Objekt anzusehen, dass es tatsächlich von Händen geformt und dekoriert wurde, lässt die historischen Porzellane so lebendig erscheinen. Ihnen ist die kunsthandwerkliche Hingabe anzusehen, mit der die vielfältigen technischen und künstlerischen Herausforderungen gemeistert wurden – und heute noch werden. Genau diese Erfahrung und die Weiterentwicklung des Könnens über 275 Jahre prägt die Qualität der heute produzierten Kollektionen.

Ãœber die Ausstellung »In Herz und Hand. 275 Jahre Fürstenberg – Schätze aus Privatbesitz«

Seit 275 Jahren schreibt die #Porzellanmanufaktur Fürstenberg Kulturgeschichte, die von privaten Sammlerinnen und Sammlern mit Leidenschaft bewahrt wird. Noch bis zum 30. Oktober zeigt das Museum Schloss Fürstenberg diese einzigartigen Kostbarkeiten und knüpft so einen roten Faden durch 275 Jahre Manufakturgeschichte. Bisher noch nie öffentlich ausgestellte, seltene Objekte von der Frühzeit der Manufaktur bis zum 21. Jahrhundert zeigen die tiefverwurzelte Faszination für Niedersachsens einzige Porzellanmanufaktur. Die besondere Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis Fürstenberger Porzellan und beleuchtet in 4 Teilbereichen die Geschichte von Fürstenberg.

Die Anfangsjahre der Manufaktur bilden das erste Thema. 1747 gründete Herzog Carl des 1. von #Braunschweig #Wolfenbüttel auf dem Jagdschloss in Fürstenberg eine Porzellanmanufaktur. Die Anfangsjahre brachten viele Schwierigkeiten mit. Es brauchte jahrelanges Experimentieren, bis endlich eine funktionierende Produktion eingerichtet war. Die Exponate des ersten Teils der Ausstellung erzählen mit ihrer charismatischen Imperfektion vom Fleiß und der Findigkeit der Fürstenberger Porzelliner.

Von 1756 bis 1828 existierte in Braunschweig die fürstliche Buntmalerei als Filialbetrieb der Manufaktur. Dort waren hervorragende Porzellanmaler tätig und das Publikum konnte Bestellungen aufgeben oder direkt einkaufen. Die Niederlassung war das Schaufenster Fürstenbergs. Ihren Leistungen wendet sich der zweite Teil der Ausstellung zu. 

Einem charmanten Servicetypus ist der dritte Teilbereich gewidmet: Mit Déjeuners, also Frühstücksgeschirren, aus allen Epochen der Fürstenberger Geschichte wird ein eleganter Zeitstrahl geknüpft, der mit der Dauerausstellung verwoben ist. Hier fügen sich die Preziosen ein und erweitern die ständige Präsentation um besonders interessante und hochkarätige Exponate.

Die Ausstellung beschließt in der vierten Abteilung eine bislang nur wenig beachtete Episode der Fürstenberger Geschichte: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Zweigbetrieb für aufwändige Malereidekore in Dresden eingerichtet. Unter dem Maler Oswald Miersch entstanden dort sehr aufwändige und prunkvolle Porzellane, die alle handwerklichen Register der Porzellanmalerei zogen. Hintergrund dieser Unternehmung war eine nach dem Krieg sprunghaft zunehmende Nachfrage nach Luxusporzellanen.

Über das Museum Schloss Fürstenberg

Im März 2017 wurde mit Unterstützung des Hauptsponsors, des #Deutsche #Sparkassen und #Giroverbandes (DSGV), sowie weiteren Förderpartnern das neu gestaltete und renovierte Museum Schloss Fürstenberg wiedereröffnet und bietet mit seinem modernen und vielfältigen Ausstellungskonzept Spaß und Infotainment für alle Generationen. Mit der umfangreichen Dauerausstellung und einem Programm aus Sonderausstellungen und Aktionen werden nicht nur die Historie der Manufaktur und die Technologie der Porzellanherstellung für die Besucher erlebbar gemacht. Vielmehr öffnet das Wissen über die Bedeutung von Porzellan in den Lebenswelten der Menschen einen neuen, spannenden Zugang zu Geschichte und Kultur verschiedener Epochen.

Das Museum Schloss Fürstenberg befindet sich mitten im Weserbergland im ehemaligen Grenzposten und Jagdschloss der braunschweigischen Herzöge. Es zeigt in verschiedenen, teilweise interaktiven Ausstellungsbereichen auf rund 1.900 Quadratmetern und auf drei Stockwerken die Herstellungsgeschichte und Kulturgeschichte von Fürstenberg Porzellan. Der Werksverkauf ist ganzjährig geöffnet und bietet alle Produkte der aktuellen Fürstenberg und Sieger by Fürstenberg Kollektion.