Gütersloh ist am 25. September 2022 verkaufsoffen, Sunday Open Sunday
Der Verkaufsoffene Sonntag am 25. September 2022 findet statt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einen Eilantrag – keine Klage – der Gewerkschaft ver.di abgelehnt.
Stelzenläufer und Mitmachaktionen
Konkret stellte die Gewerkschaft dieses Mal darauf ab, dass sich die Verkaufsöffnung bis zu Porta Möbel erstrecken soll. Das Gericht wiederum lehnte das mit der Begründung ab, passend zum Gütersloher Straßenfiffi gebe es auf dem großen Parkplatz von Porta Möbel ein Familienfest für Groß und Klein. Bereits bei der Ankunft würden die Besucher des besagten Festes von einem Stelzenläufer [sic!] begrüßt und auf die verschiedenen Mitmachaktionen vor Ort eingestimmt. Denn nach gängiger Rechtssprechung sind Verkaufsoffene Sonntage, die dem Verbot der Sonntagsarbeit widersprechen, dann möglich, wenn sie im Rahmen einer »Veranstaltung« stattfinden.
Die Katze beißt sich in den Schwanz
Freilich beißt sich hier die Katze in den Schwanz, denn »Verkaufsoffene Sonntage« sind in der Regel selbst zumindest Teil der Veranstaltung, in deren Rahmen sie stattfinden – im Grunde genommen finden die Veranstaltungen eher im Rahmen der Verkaufsoffenen Sonntage statt. Bekanntlich ist nämlich an Verkaufsoffenen Sonntagen immer viel los, weil viel los ist (das wird antizipiert und damit zur Selbsterfüllenden Prophezeiung). Ohne Verkaufsöffnung wäre wohl oftmals weniger bis wenig los. Trotz »Veranstaltungen«. Es geht eher darum, dass die Innenstadt gefüllt ist, damit das ganze nach einem Erfolg aussieht.
Feedback der Einzelhändler
Das regelmäßige Feedback der Einzelhändler selbst – um die sich die Verkaufsöffnung ja vermeintlich dreht – ist hingegen das, dass sich die Verkaufsöffnung per se für sie gar nicht lohnt, weil kaum jemand etwas kauft. Umso weniger, wenn zur Verkaufsöffnung auch noch eine »Veranstaltung« hinzukommt. Dann strömen die Menschen in die Innenstädte, weil etwas los ist (siehe oben). Was dann los ist, spielt dabei keine große Rolle.
Zielloser Massenspaziergang
Man braucht nur einen Verkaufsoffenen Sonntag zu besuchen. Menschenmassen schieben durch die Innenstadt – das gleicht allerdings eher einem ziellosen Massenspaziergang. Niemand begutachtet etwaige Schaufensterauslagen, darum geht es gar nicht. Es geht darum, dabei zu sein, wenn etwas los ist. Es wird auch nichts gekauft – wer möchte schon stundenlang mit Tüten durch die Menge schieben? Niemand. Das wurde tatsächlich in der Vergangenheit schon mehrfach in der Presse beklagt: Man sehe kaum Tüten (Einkaufstüten).
Die Innenstadt ist nicht »unattraktiv«
Das Besagte beweist allerdings wieder einmal, dass die Gütsler Innenstadt nicht »unattraktiv« ist und dass das Parken überhaupt kein Problem ist. Denn an Verkaufsoffenen Sonntagen ist ja trotz dieser Pseudoargumente beziehungsweise Rationalisierungen viel los. Im Gegenteil ist die Gütsler Innenstadt recht attraktiv. Es gibt wunderbare Ecken, an denen man sich gerne aufhält (oder aufhalten würde). Manche beklagen übermäßig viele »Backshops« oder »Handyläden« – aber (siehe oben) dennoch sind an Verkaufsoffenen Sonntagen Massen unterwegs. Das ist also alles nicht der Grund. Nicht die Ursache. Und die Ursachen lassen sich weder mit Task Forces, Klassischem Eventmarketing, Masterplänen, sachargumentativen IHK Hirngespinsten, Gummibärchenausgaben, »Konzepten« ominöser, sogenannter »Büros« von außerhalb beheben. Der Beweis dafür, dass das so ist, liegt auf der Hand – das Besagte wird seit Jahrzehnten gemacht und ist vollkommen erfolglos – schlimmer noch: es geht immer weiter bergab. Das wird ja gesagt und beklagt. Dennoch hält man daran fest.
Es gibt attraktive Angebote
Es liegt auch nicht am »Angebot« oder an unattraktiven Läden. Die gibt es. Auch attraktive Gastronomie gibt es. Es hilft nichts, Menschen in die Innenstadt zu bugsieren. Wenn sie da sind, kaufen sie noch lange nichts. Sie kaufen das, was sie wollen, wann sie es kaufen wollen, und wenn sie es kaufen wollen. Sonst nicht. Wenn man ihnen ständig vorhält, dass sie nichts kaufen, aber etwas kaufen sollen, und dass die Innenstädte im Niedergang befindlich und unattraktiv sind, kaufen sie erst Recht nichts. Das nennt man in der Psychologie Reaktanz. In Wahrheit wird ja gekauft (aktuell herrscht wegen der Lage »Zurückhaltung« – geschenkt). Bloß nicht dort, wo es manche wollen. Andere hingegen wollen, das woanders gekauft wird, und dort wird auch gekauft. Man kann Leute fragen, die sich damit auskennen und Ideen haben. Aber das findet nicht statt. Was wiederum dem Phänomen der Reaktanz geschuldet ist.
Urbanität und Ruralität
In den 80ern hatte die Gütsler Innenstadt noch eine gewisse Urbanität. Diese ist mit der »Fußgängerzonisierung« über Bord geworfen worden. Natürlich wäre ein 80er Jahre Status auch nicht mehr zeitgemäß, wenngleich kürzlich genau darauf abgestellt wurde – man müsse auch an die Autofahrer denken und Parkplätze bieten, hieß es. Aber – siehe oben – bei Verkaufsoffenen Sonntagen ist die Stadt dennoch voll. Aber es kauft niemand etwas. Einen charmanten Altstadtcharakter gibt es in Gütersloh leider nicht. Das wurde nicht zuletzt durch Stadtplanung verhindert. »Die erfolgreichsten Stadtteile sind in der Regel die, von denen die Stadtplaner ihre Finger gelassen haben«, so Nassim Nicholas Taleb, der dadurch bekannt wurde, dass er in Popper’scher Tradition den »Black Swan« herausgearbeitet hat.
Nicht der Punkt
Das Besagte ist eben alles nicht der Punkt. Die Sachlage ist viel komplexer. Ein interessanter Gedanke ist dieser: Warum soll man einen großen Zeitaufwand und Unbequemlichkeit betreiben, um dann ein beschränktes Sortiment, gefühlt überteuerte Produkte, die womöglich noch »bestellt« werden müssen zu akzeptieren? Der Verkäufer will sein Geld ja dann auch umgehend, also sofort haben. Zumal das von der oben erwähnten IHK beschworene quid pro quo gar nicht stattfindet, wie mancher leidvoll erfahren darf. Gütsel hat seit fast 40 Jahren zahllose Kameras, Objektive und Zubehör zu (berechtigterweise) teureren Preisen als woanders bei einem kleinen Fotoladen gekauft. Und wo wirbt dieser Fotoladen? Bei Gütsel jedenfalls nicht, noch nicht einmal gratis. Die allgemeine, sofortige Verfügbarkeit von manchen (in Wahrheit sind es viel weniger, als man denkt) Informationen im weitesten Sinne, die durch das Internet möglich wurde, steht dem Konzept des Lokalen Einzelhandels diametral entgegen (ebenso die heute sogenannte »Logistik«, also Paketdienste). Also muss man das Internet klug nutzen. Aber nicht unklug. Dabei sind freilich Imperten wenig zuträglich, wie man sieht. Dennoch kapriziert man sich nach dem Motto »Es muss aber doch gehen« auf ebendiese. Wie etwa beim kürzlich ausgefallenen Digitalfunk der Exekutive. Es hieß, man habe Milliarden in das System investiert, dennoch könne man lediglich darüber »sprechen«, und es sei also sehr mangelhaft. Also müsse man – so die Schlussfolgerung – noch mehr Geld hineinstecken. Was Einsteins origineller Definition (die punktuell zutrifft, aber ansonsten Quatsch ist) von Wahnsinn entspricht – nämlich immer wieder dasselbe zu tun, und dann ein anderes Ergebnis zu erwarten. Quatsch ist das Besagte beispielsweise deshalb, weil es bekanntlich die bekannte Volksweisheit gibt, wonach steter Tropfen den Stein höhlt. Freilich bedarf es dazu tatsächlich Tropfen, Steinen, Stetigkeit und des Umstandes, dass der Tropfen den Stein überhaupt trifft. Und natürlich des Zieles, den Stein überhaupt höhlen zu wollen – und dass das überhaupt tatsächlich gewollt und sinnvoll sei.
Nicht vergessen und übersehen
Auch große Discounter, große Märkte, sogar Amazon sind Einzelhandel. Und ein Verband der die Interessen des Einzelhandels vertritt, vertritt natürlich in Erster Linie seine eigenen, aber eben auch die Interessen der »Big Player« und »Big Payer«. Das Gefühl, er verträte nur die kleiner Läden, trügt.
Ãœbrigens: »verkaufsoffen« ist lediglich in der Innenstadt.