Verblödung, Gauß und die Hochkultur, die Pseudomenschen
Zunehmend ist von zunehmender Verblödung die Rede. Das ist Quatsch. Dazu müsste die Breite Masse zuvor klüger gewesen sein, war sie aber nie.
Wir haben es mit dem Naturphänomen der Regression zur Mitte zu tun. Die Dominanz regrediert zur Mitte, die gleichzeitig der Modus des Intellekts ist. Denn der Intellekt ist gauß’sch normalverteilt und der Modus ist gleichzeitig auch der Durchschnittswert (der sogenannte »Intelligenzquotient« von 100) … so ist er definiert. Wie wir sehen, ist eine modale Intelligenz oder »durchschnittliche« Intelligenz nichts Ãœberragendes (das ist sie per definitionem sowieso nicht, aber auch absolut betrachtet ist sie es nicht).
Diese Tatsache beleidigt natürlich das Ego der Betroffenen, und so setzt sich die Dominanz des Modus durch, was ironischerweise als »Verblödung« wahrgenommen, dargestellt und interpretiert wird. Eine Selbstoffenbarung, die man natürlich (wie gesagt) nicht wahrhaben will, und wovon sich alle beleidigt fühlen. Was wiederum dazu führt, dass sich eben die Dominanz des Modus durchsetzt. Das ist absurd, aber logisch und ein Circulus vitiosus (Teufelskreis). Wie man sieht.
Das Gegenteil, ein Circulus virtuosus, lässt sich – wie wir sehen – auf Teufel komm raus [sic!] nicht in Gang setzen. Trotz zahlloser Anläufe, die man größtenteils als »Hochkultur« bezeichnet oder die als »Wissenschaft« bekannt sind. Die Breite Masse fühlt sich zu Recht davon belästigt, weil es sie natürlich überfordert – das ist eben der besagte Teufelskreis. Daran sind schon einige verzweifelt. Was eben auch Teil des Teufelskreises ist.
Es gibt wenige Ausreißer, viel mehr vermeintliche Ausreißer (Pseudo Ausreißer) und überwiegend Einreißer (oder Abreißer). Zumal das Mittel, um das Wissen zu transportieren, zerstört wird und in ihren Möglichkieten eben auch dem Niveau des intellektuellen Modus angeglichen wird. Nämlich die Sprache.
Nur ein Beispiel: Angeblich (!) gewünscht ist allenthalben Bürgerschaftliches Engagement. Manche bezeichnen es (buchstäblich dummerweise) als »Bürgerliches Engagement« – das ist aber etwas ganz anderes.
Aus einer – zugegeben eurozentristischen – Sicht war das in der Zeit der »Aufklärung« anders, als der Intellekt eine gewisse (jedenfalls vermeintliche) Dominanz besaß – sowohl in Wissenschaft, als auch in Philosophie und Kultur. Heute finden zunehmend und überwiegend Pseudowissenschaft, Pseudophilosophie und Pseudokultur statt. All das freilich auf den Grundlagen der echten Wissenschaftler, Philosophen und Künstler, von denen teils aber lediglich noch die Namen bekannt sind, und deren Erkenntnisse heute teils ergänzt werden können. Beispielsweise hatte ein Einstein Geistesblitze, die aber heute überdacht werden können. So ist Zeit aus phänomenlogischer beziehungsweise rezeptiver Sicht zweifellos relativ – diese Erkenntnis basiert allerdings auf dem Phänomen einer absoluten Zeit und führt zu Widersprüchen, die auch allgemein anerkannt werden (etwa bei der vermeintlichen Unvereinbarkeit von Relativitätstheorie und Quantentheorie, der demnach unlogischen Hawkingstrahlung, dem (mathematischen) Widerspruch zwischen Quantentheorie (die rein logisch korrekt sein muss) und der mathematischen Schlussfolgerung, dass eine »Singularität« keine räumliche Ausdehnung haben kann, wenn sie eine unendliche Dichte haben soll (in der Realität muss sie beides nicht haben und hat es auch nicht) – heute spricht man folgerichtig von »Quantensingularitäten«). Dass die Protagonisten auch ambivalent waren – geschenkt.
Die Kunst sei frei, heißt es. In Wirklichkeit ist sie es meist nicht, aber dann ist es keine Kunst. Denn im Umkehrschluss ist nur Freies Kunst. Und was ist wirklich Kunst? Die berühmte »Mona Lisa« ist keine Kunst, sondern Kunsthandwerk, es war wohl eine Auftragsarbeit, also nicht frei. Also keine Kunst. Da aber viele (alle?) »Künstler« oder »Könner« zwangsläufig korrumpiert sind (oder waren), gibt es wenig wirkliche Kunst. Was für alle Genres gilt. Kunst kann nur von sich aus entstehen und keinen Zweck außer dem Selbstzweck haben und hat einen intellektuellen und nicht lediglich rein ästhetischen Gehalt (ohne ästhetischen Gehalt ist es allerdings auch keine Kunst, sondern hat eher anekdotischen, »literarischen« oder bestenfalls philosophischen Charakter). So war beispielsweise Mozart eher Popmusiker und Popkomponist (jemand nannte ihn auch Rocker). Wirkliche Musikkunst war und ist selten, bekannt sind etwa Schostakowitsch, das kongeniale Duo Mussorgski und Ravel, womöglich auch Beethoven, im Bereich der sogenannten »Klassischen Musik«. Im modernen Sektor lässt sich problemlos betrachten, was adaptiert wurde und wird – etwa in den Genres Blues und Jazz. Die ursprünglichen »Erfinder« sind unbekannt, zeitgenössische Protagonisten sind etwa Künstler wie Nina Simone im »Kammerjazz«, Charlie Parker (Trompete), Sunny Rollins (Hard Bop), Muddy Waters, später (aber dann schon Rock ’n’ Roll) Chuck Berry, die aber auch auf bestimmte Genres festgelegt waren und sind. Womöglich und wahrscheinlich sind zahllose Künstler völlig unbekannt, weil sie nicht die entsprechende persönliche Ausstrahlung hatten. Und womöglich haben die bekannten Künstler vieles lediglich adaptiert – das weiß man nicht. Es wäre aber auch nicht schädlich (lediglich tragisch für die wahren Urheber). Beispielsweise hat Eddie Van Halen seine revolutionäre Spieltechnik nicht selbst erfunden, sondern adaptiert (und dann weiterentwickelt). Aber er war kein Künstler, sondern ein sehr guter Musiker. In der Moderne sticht lediglich Mike Oldfield als musikalisches Universalgenie in fast allen Genres hervor. Auch hier gilt aber, dass womöglich und wahrscheinlich zahllose andere völlig unbekannt sind. Das Gleiche gilt für alle Kategorien der Kultur und Kunst. In der Literatur und Publizistik sticht etwa Roger Willemsen hervor. Ein Beuys sticht beispielsweise eher als Pseudokünstler hervor, der von Manierismen gelebt hat, und Dummheiten wie »Jeder ist ein Künstler« von sich gegeben hat (was er selbst widerlegt hat). Im Bereich der Fotografie kulminiert der Verfall etwa in reinen Formalismen, Manierismen oder im Pseudoimpressionismus der »Streetart Fotografie«, die einfach behauptet, sie sei Kunst, was weder beweisbar noch widerlegbar ist, sondern einfach behauptet wird (freilich gehen die Erläuterungen zum intellektuellen Gehalt der »Werke« jeweils nicht über Behauptungen hinaus, teilweise werden absurderweise auch ästhetische Mängel als angebliche Mittel zum Zweck hochstilisiert – in Wahrheit sind sie lediglich Unvermögen).
Die Regression zur Mitte lässt sich auch als Banalisierung bezeichnen. Und das Banale ist bekanntlich »böse« (das »Böse« ist hingegen nicht banal, sondern fatal). Und nur wenige haben (im Sinne von Willemsen) eine Idee (geschweige denn einen Einfall) oder eine Haltung (ganz zu schweigen von Dezenz) – Schostakowitsch hatte eine Haltung, Oldfield hatte eine Haltung (was man oft deutlich an seinem Auftreten gesehen hat), Marcel Reich-Ranicki hatte eine Haltung. Christo hatte wohl eher eine Pseudohaltung (eher Manieriertheit – er kommt (natürlich) zu spät … »Setzen Sie sich« … »Ich setze mich nicht. Ich setze mich, wenn ich mich setzen will«). Wirkliche Künstler sind auch in der Regel nicht populär, denn bekanntlich halten Dumme alles was nicht dumm ist für dumm.
Ãœbrigens können wahrscheinlich manche über die »Großen Popstars« nur milde lächeln (in den USA etwa die zahllosen Country and Western Musiker, die ein Vielfaches umsetzen, in Deutschland verschiedene »Volksmusiker« oder Leute wie die »Flippers« oder die »Amigos«, die mehr Platten verkaufen als sonstwer).
Ein großes Problem ist, dass man meist nur das sieht, was man sehen soll. Man sieht ein Image. So ist beispielsweise Keanu Reeves zweifellos ein bekannter, erfolgreicher und guter Schauspieler. Aber er hat nur eine Pseudohaltung, kein wahre Haltung. Sonst würde er nicht in gewaltverherrlichenden Filmen mitspielen. »John Wick« ist zweifellos nicht ironisch gemeint.
Nur der Mensch ist unmenschlich.