Hoher Verschleiß und Überlastung: schlechte Noten für Deutschlands höchste Brücken
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Knapp die Hälfte der 25 höchsten Brücken Deutschlands haben mindestens einen kritischen Bauwerkszustand
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Elf der höchsten Brücken haben deutliche Defizite bei der Traglast
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Neun Brücken werden im Brückenmodernisierungsnetz bevorzugt modernisiert
Berlin 16. Mai, 2023
Die zerfallende Verkehrsinfrastruktur in Deutschland macht immer wieder Schlagzeilen. Doch wie ist es im Detail um die Brücken im Fernverkehrsnetz bestellt? Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von #Betonbauwerken hat anhand der offiziellen Zustandsnoten die bauliche Situation der 25 höchsten Brücken in Deutschland untersucht. Diese Liste wird regelmäßig von der #Bundesanstalt für #Straßenwesen (BAST) veröffentlicht. Dabei zeigt die Mehrheit der höchsten Brücken kritische Verschleißerscheinungen und Defizite bei der Traglast. Und damit die Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen.
Knapp die Hälfte der Brücken hat mindestens einen kritischen Zustand
Den Zustand und die Leistungsfähigkeit einer Brücke beschreiben die Zustandsnote (ZN) und der Traglastindex (TLI). Die Zustandsnote beurteilt Verschleiß- und Alterungserscheinungen. In dieser Kategorie erreichen die untersuchten Brücken im Durchschnitt den Wert 2,8 (auf einer Skala von 1 bis 4). Bei mehr als der Hälfte der Brücken liegen die Zustandsnoten im Bereich von 2 bis 2,9, was einem befriedigenden bis ausreichenden Bauwerkszustand entspricht. Bei knapp der anderen Hälfte sieht es schlechter aus: elf Brücken haben die Zustandsnoten zwischen 3 und 3,5 und befinden sich damit in einem kritischen bzw. ungenügenden Bauwerkszustand. Zu dieser Gruppe gehören mit der Moseltalbrücke (ZN 3,5) der Lösterbachtalbrücke (ZN 3,4) und der Neckarburgbrücke (3,3) vor allem Brückenbauten aus den 1970er Jahren und früher.
Die höchsten Brücken Deutschlands mit einem kritischen bis ungenügenden Bauwerkszustand (Bewertung der Teilbauwerke)
Höhe (Meter)
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Eröffnungsjahr
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Brücke (Teilbauwerke)
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Zustandsnote
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Traglastindex
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185
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1979
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Kochertalbrücke
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2,4
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I
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136
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1972
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Moseltalbrücke
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3,5
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V
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98
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1987
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Sauertalbrücke
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3,5
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III
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100
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1974
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Lösterbachtalbrücke
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3,4
|
V
|
95
|
1978
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Neckarburgbrücke (1)
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3,3
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IV
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97
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1967
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Elztalbrücke
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3,3
|
II
|
97
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1981
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Gutachtalbrücke (2)
|
3,3
|
I
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127
|
1978
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Neckartalbrücke Weitingen (1)
|
3
|
V
|
97
|
1968
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Grenzwaldbrücke
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3
|
V
|
90
|
1978
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Schöllnachtalbrücke (1)
|
3
|
V
|
76
|
1969
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Talbrücke Brunsbecke
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3
|
V
|
95
|
1978
|
Neckarburgbrücke (2)
|
3
|
IV
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92
|
1969
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Tiefenbachtalbrücke
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3
|
IV
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Viele #Brücken werden zu stark belastet
Ein weiteres zentrales Werkzeug zur Beurteilung von Brücken ist der 2020 eingeführte Traglastindex. Der Traglastindex vergleicht die aktuelle Belastung einer Brücke mit der Brückenklasse. Da viele der untersuchten Brücken in Zeiten mit geringer Auslastung geplant und gebaut wurden, haben sie im Verhältnis der aktuellen Belastung und der ausgelegten Tragfähigkeit Defizite. Diese Defizite gibt der Traglastindex an und ist damit ebenfalls ein Indikator einer Modernisierung.
Von den 25 höchsten Brücken in Deutschland haben fünf einen Traglastindex von IV und sechs einen Traglastindex von V, der schlechtesten Bewertung von Soll- und Ist-Zustand. Mit der Moseltalbrücke, der Lösterbachtalbrücke , der Neckartalbrücke bei Weitlingen , der Grenzwaldbrücke, der Schöllnachbrücke und der Talbrücke Brunsbecke gehören zu den Schlusslichtern beim Traglastindex vor allem Brücken, die auch eine kritische Zustandsnote haben.
Brücken im Brückenmodernisierungsnetz haben Vorrang
Die Dringlichkeit der Modernisierung ergibt sich aus Zustandsnote, Traglastindex und Verkehrsbedeutung. Im Brückenmodernisierungsnetz werden ausgesuchte Fernstraßenabschnitte vordringlich erhalten und ertüchtigt. Neun der höchsten Brücken gehören zu diesem Brückenmodernisierungsnetz: die Neckartalbrücke bei Weitlingen, die Siegtalbrücke, die Grenzwaldbrücke, die Neckarburgbrücke. Schöllnachtalbrücke, Eschachtalbrücke, Werratalbrücke Hörschel und die Talbrücken Brunsbecke und Büschergrund.
Dipl. Ing. Marco Götze, Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken kommentiert die Ergebnisse der Analyse: »Der Zustand vieler Brücken im Fernstraßennetz ist kritisch. Zwar bedeutet eine schlechte Zustandsnote nicht automatisch, dass eine Brücke nicht mehr voll genutzt werden kann. Aber damit es erst gar nicht zu Nutzungseinschränkungen kommt, müssen rechtzeitig Ertüchtigung und Erhalt geplant und durchgeführt werden. Vor allem bei Brücken, die für den aktuellen und noch wachsenden Schwerverkehr nicht ausgelegt worden sind, stehen umfangreiche Maßnahmen für die Modernisierung und Verstärkung an.«
Untersuchungsgrundlage
Die Angaben zu den Zustandsnoten und zum Traglastindex wurden der BAST Liste entnommen (Stand September 2022). Ergänzende Informationen über die Brückenkarte des BMDV.
Über die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken
In der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken (IB) haben sich neun Landesgütegemeinschaften und die Bundesgütegemeinschaft Betonflächeninstandsetzung (BFI) zusammengeschlossen. Unterstützt werden sie durch Unternehmen, die dem Verein »Deutsche #Bauchemie« angehören sowie durch Einzelmitglieder. Ziel der Gemeinschaft ist es, mit der Betoninstandsetzung eine langfristige Werthaltigkeit von Bausubstanz zu sichern und Gefahren aus Mängeln der Bausubstanz abzuwehren. Diesem Ziel haben das Bundesministerium für #Digitales und #Verkehr und das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBT) durch Anerkennung der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken beziehungsweise ihrer Prüfstelle Rechnung getragen. Mit dem Portal #Betoninstandsetzer verfolgt der Verein außerdem das Ziel, mehr Menschen für die #Ausbildung und #Weiterbildung zu gewinnen.