Marta Herford, »Shift – KI und eine zukünftige Gemeinschaft«, 17. Juni bis 15. Oktober 2023
Herford, August 2023
Das vom #Marta #Herford und dem Kunstmuseum Stuttgart entwickelte Ausstellungsprojekt »Shift – #KI und eine zukünftige Gemeinschaft« (17. Juni bis 15. Oktober 2023) präsentiert 9 internationale künstlerische Positionen, die die komplexen gesellschaftlichen Zusammenhänge von Künstlicher Intelligenz (KI) reflektieren und in raumgreifenden Installationen sinnlich erfahrbar machen. So eröffnen die #Kunstwerke von Louisa Clement, Heather Dewey Hagborg, Christoph Faulhaber, »kennedy+swan«, »knowbotiq«, Christian Kosmas Mayer, Philippe Parreno, Hito Steyerl und Jenna Sutela überraschende Perspektiven auf eine Zukunft, in der Mensch, Natur und Technik in einem idealerweise kooperativen Verhältnis zueinanderstehen.
KI gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Obwohl sie teils wie #Science #Fiction anmutet, ist sie durch bekannte Anwendungen wie digitale Bildgeneratoren, das autonome Fahren, Sprachassistenzen oder smarte Geräte längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aber erst die jüngste, bahnbrechende Veröffentlichung des #Textgenerator #Tools #ChatGPT brachte die Diskussion über Chancen und Risiken dieser rasant voranschreitenden Technologie auch in die Breite. Viele KI gesteuerten Prozesse erfolgen mehr oder weniger im Verborgenen und nehmen in Verbindung mit anderen wissenschaftlichen Methoden schon heute nahezu unbemerkt Einfluss auf politische, wirtschaftliche und soziale Prozesse. Für die Erarbeitung ihrer Werke haben die 9 Künstler eng mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet und machen komplexe Prozesse in ihren künstlerischen Arbeiten visuell erfahrbar.
Der Begriff »Shift« (»Verschiebung«, »Übergang«, »Wechsel«) unterstreicht die #These, dass diese Digitaltechnologie nachhaltig die Idee einer Gemeinschaft verändert. Die in den Gehry Galerien räumlich großzügig gezeigten künstlerischen Beiträge stellen prüfende Fragen und eröffnen zugleich konstruktive Perspektiven: Wie verhält sich KI zu Konzepten von Vernunft, Freiheit und Verantwortung? Können Menschen, KI gesteuerte Roboter, Avatare und biologische Mikroorgansimen wie Bakterien konstruktiv zusammenarbeiten? Und kann KI die Welt möglicherweise sogar menschlicher machen?
Das Werk der Künstlerin Louisa Clement (geboren 1987 in Bonn, lebt ebenda) kreist um reale und künstliche Körperlichkeit. Dabei knüpft sie an die die uralte Beziehung zwischen Mensch und Maschine an und thematisiert die Transformation des Körpers durch #Digitalisierung und technologischen Fortschritt. Zum Beispiel zeigt die Fotoserie »hands are tired« (2021) Hände einer von Louisa Clement entwickelten »Repräsentantin« (2021), einer auf Basis von KI gesteuerten #Sexpuppe, welche der Künstlerin optisch ähnelt. Die Verrenkungen der Gliedmaßen, die einem realen Körper unmöglich wären, spielen mit Themen wie Verletzlichkeit und Empathie im digitalen Zeitalter. Das Video »Human Error« (2021) zeigt 2 körperlose Bot Köpfe der »Repräsentantinnen«, die nach einem Hackerangriff durch das Bild rollen und immerzu den Satz »I can’t connect to internet« wiederholen. Clement hinterfragt hier die Fehlbarkeit von Technologie und entwirft ein Szenario von Hilflosigkeit in einer Welt, in der man die Ersetzbarkeit des Menschen durch Technologie und KI diskutiert.
Das Künstlerduo »kennedy+swan« (seit 2013), bestehend aus Bianca Kennedy (geboren 1989 in Leipzig, lebt in Berlin) und Swan Collective (gegründet von Felix Kraus (geboren 1986 in München, lebt in Berlin), beschäftigt sich in den Video und Virtual Reality Arbeiten mit der Zukunft der Evolution. Der Animationsfilm »in vivo – in vitro – in silico« (2023) erzählt von einer Zukunft, in der biologische und künstliche Intelligenz miteinander verbunden sind. Dabei beziehen sie sich auf neuste Forschungen zu sogenannten #Xenobots, programmierbaren biologischen Mikrorobotern, die sich selbstständig fortpflanzen können. Die filmische Arbeit »MD« (2023) wiederum simuliert die Wiederauferstehung der berühmten Schauspielerin Marlene Dietrich als Deepfake mit Hilfe einer auf einer Auktionsplattform ersteigerten Haarsträhne von ihr. Letztlich veranlasst das Duo die Betrachter dazu, über die Vormachtstellung des Menschen nachzudenken und zu hinterfragen »wer eigentlich definiert, was oder wer in unserer Gesellschaft wichtig ist« (Vanessa Souli im #Interview mit »kennedy+swan«, April 2020).
Die Projekte des Künstlerduos »knowbotiq« (Yvonne Wilhelm und Christian Huebler, seit 1991) werfen die Frage auf, ob Maschinen in der Lage sind mit den fortschreitenden Machenschaften von Kapital, Kolonialismus, Patriarchat und Technologie zu brechen. In dem dichten Kabelgeflecht der Installation »Amazonian Flesh – How to hang in trees during strike?« (2018 bis 2019) berichten Bot Stimmen über Lohnarbeit und rufen zum gewaltlosen Widerstand gegen den Onlineversandhändler Amazon auf. Die zweiteilige Filmarbeit bestehend aus »Mercurybodies: Remote Sensations« (fortlaufendes Projekt seit 2021) und »Composting Slow Violence« (fortlaufendes Projekt seit 2021) beschäftigt sich mit KI basierten Technologien, die mithilfe von Satellitenbildern geologische Gegebenheiten auswerten, um Bodenschätze zu entdecken. Dabei bringen sie den distanzierten Blick der KI Technologie mit einer Vielstimmigkeit verschiedener Wissensformen zusammen und stellen technoethische Fragen.
In den letzten Jahren standen Kryptowährungen immer wieder öffentlich in der Kritik. Mit »CryptoGallery #ONE« (2022) hat der Künstler Christoph Faulhaber (*1972 in Osnabrück, lebt in Hamburg) das erste Kunstprojekt realisiert, welches sich dem Recycling des digitalen Abfalls, wie zum Beispiel Logos von Kryptowährungen widmet. Dafür erstellte er seine eigene #NFT Serie und speiste zwei Bildmotive in ein vortrainiertes KI Modell ein: einen Schädel aus dem mexikanischen Totenkult und ein Foto der deutsch bulgarischen Unternehmerin Ruja Ignatova, die selbsternannte »Crypto #Queen«. Ihre Firma handelte mit Kryptowährungen und flog 2017 als illegales #Schneeballsystem auf. Auf der virtuell begehbaren Plattform »Decentraland« hat Faulhaber seinen digitalen Ausstellungsraum »CryptoGallery #ONE« geschaffen, einen virtuellen Nachbau der Londoner Immobilie Ignatovas. In diesem Projekt untersucht der Künstler kritisch die Welt der NFTs, ihre Funktionen und Marktmechanismen.
Heather Dewey Hagborg (geboren 1982 in Philadelphia, Pennsylvania, USA, lebt in New York City, New York, USA) ist zugleich Künstlerin und Bio Hackerin. So erstellte sie für »Probably Chelsea« (2017) aus einer genetischen Probe 30 verschiedene Entwürfe möglicher Portraits der US amerikanischen Whistleblowerin Chelsea E. Manning. Mit den Skulpturen verlieh die Künstlerin Manning öffentliche Sichtbarkeit während ihrer Haft, in der sie sich einer Geschlechtsumwandlung unterzog. Der Film »T3511« (2018) greift die zunehmende Verbreitung von genetischen Biobanken auf. Er erzählt von einer Frau, die sich in einen unbekannten Speichelspender verliebt, von dem sie ein genetisches Profil erstellt und seine Zellen kultiviert. Mit diesen Arbeiten zeigt die Künstlerin die Möglichkeiten von KI gestützter DNA Phänotypisierung auf und stellt zugleich Fragen zu den sich verschiebenden Grenzen von Intimität und Überwachung sowie zur Beziehung von Individuum und Gesellschaft. Für die mehrteilige Klanginstallation »Lovesick« (2019) arbeitete Dewey Hagborg mit Forschern der biotechnologischen Firma Integral Molecular zusammen und entwickelte einen Virus, der Gefühle wie Liebe, Empathie und Verbundenheit hervorruft.
Die Künstlerin Hito Steyerl (geboren 1966 in München, lebt in Berlin) ist eine der zentralen Positionen bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und neuen Technologien. Ihre multimediale Arbeit »SocialSim« (2020) lotet die Potenziale des Digitalen in Bezug auf künstlerische Kreativität, museale Präsentationsweisen, soziale Verschiebungen und pandemische Bedingungen satirisch kritisch aus. Der Titel verweist auf Simulationsmodelle, die beispielsweise zur Berechnung menschlicher Handlungen oder zum Verlauf von Naturkatastrophen verwendet werden. Eine Computersimulation zeigt ekstatisch tanzende Figuren, die durch Computer Generated Imagery (CGI) erzeugt wurden. Sie beruhen auf Daten zur Erfassung polizeilicher Gewalt in Deutschland und Frankreich. Die Künstlerin hinterfragt genauso spielerisch wie kritisch die ständige Verfügbarkeit von Daten und ihren Einfluss auf das Handeln von Einzelpersonen und der Gesellschaft sowie die Möglichkeit dieses zu steuern.
Jenna Sutela (geboren 1983 in Turku, Finnland, lebt in Berlin und Kaarina, Finnland) beleuchtet in ihren Arbeiten nicht nur das Verhältnis zwischen #Mensch und #Technologie, sondern bezieht dabei auch andere Qintelligente« Organismen mit ein. Für das Video »nimiia cétiï« (2018) hat die Künstlerin maschinelles Lernen eingesetzt, um eine neue Sprache zu generieren: Sie verleiht dem Bacillus subtilis nattō eine Stimme, indem sie dessen Bewegung nachvollzieht und in eine kalligrafische Struktur überführt. Die Arbeit »I Magma« (2021) besteht aus beleuchteten Glasköpfen, die dem Portrait der Künstlerin nachempfunden sind und deren Inneres von einer blubbernden Masse gefüllt zu sein scheint. Ein Bezugspunkt bildet hier das Softwareprogramm DeepDream, das mentale Aktivitäten nachahmt, indem es Bilder manipuliert und mit anderen Motiven zu Kompositionen verrechnet, die auf die menschliche Psyche einwirken.
Christian Kosmas Mayer (geboren 1976 in Sigmaringen, lebt in Wien, Österreich) beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Unsterblichkeit. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden entwickelte er 2021 die Stimme einer 2000 Jahre alten, männlichen Mumie. Unter Einsatz von KI entstand ein Musikstück, das in der 8 Kanal Installation »Maa Kehru« (2021 bis 2022) erklingt. Formen von Unsterblichkeit sind auch Ausgangspunkt seiner bewegten Fotografien, für die der Künstler auf Portraits des US amerikanischen Fotografen William H. Mumler (1832 bis 1884) zurückgreift. Die zweifach belichteten #Fotografien von Mumler wirkten wie Bilder von Geistern, die bei Mayer scheinbar lebendig werden, indem er mit Hilfe eines #Algorithmus seine eigene Mimik auf die Gesichter der Portraitierten überträgt. Die Skulpturen der Serie »If you love life like I do« (2019) basieren auf Untersuchungen zur sogenannten Kryonik. Bei der Kryonik werden menschliche Körper kopfüber in Kältebehältern aufbewahrt, in der Hoffnung, dass sie eines Tages wiederbelebt werden können.
Die Bild und Toninstallation »The Owl in Daylight« (2020) von Philippe Parreno (geboren 1964 in Oran, Algerien, lebt in Paris, Frankreich) zeigt eine verlassene Landschaft, in der sich nach und nach die Szenerie und Atmosphäre verändern. 64 Bildsequenzen in High End #CGI werden von einer KI kontrolliert und kontinuierlich weiterentwickelt. Der Soundtrack entsteht mit der KI Technologie Bronze, die anhand einer Zusammensetzung aus Geräuschen und Klängen auf ihre Umgebung reagiert und dabei auch beispielsweise Daten einer Wetterstation verwendet. So schafft Parreno ein System, welches endlos auf sich selbst und seine Umgebung reagiert, und befragt die Möglichkeit, mithilfe von KI künstliche Strukturen zu schaffen, die ein eigenes #Bewusstsein besitzen.
Zu der Ausstellung findet ein umfangreiches Rahmenprogramm mit zahlreichen Künstlergesprächen sowie einem Symposium am Samstag, 16. September 2023, 15 bis 18 Uhr) mit Experten zu Themen wie #Nachhaltigkeit, #Arbeitswelt, #Diskriminierung und ethischen Fragen im Kontext der KI Technologie statt. Anlässlich der Ausstellung wurde darüber hinaus im Marta Atelier in der 2. Etage ein permanenter pädagogischer Raum eingerichtet, der spielerisch verschiedene KI Technologien zugänglich macht. Mitmachstationen laden dazu ein, selbst aktiv zu werden und einfache Anwendungen auszuprobieren.
Die Ausstellung wurde gemeinschaftlich entwickelt vom #Museum #Marta #Herford und dem #Kunstmuseum #Stuttgart.
Marta Herford, Außenansicht des Museumsbaus von Frank Gehry, im Mai 2005. Foto: Wittekind, Ausschnitt, CC BY, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen
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Marta Herford
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