Marta Herford, Lena Henke »Good Year«, 2. September 2023 bis 7. Januar 2024
Anlässlich des 5. Marta Preis der Wemhöner Stiftung zeigt das Marta Herford Lena Henkes Einzelausstellung »Good Year« (2. September 2023 bis 7. Januar 2024). In einer eigens für die #Lippold #Galerie konzipierten Installation greift die Künstlerin Themen wie Küchendesign auf, die mit dem Standort Herford verbunden sind und nutzt dafür ungewohnte olfaktorische Sinneseindrücke. Die in Lage aufgewachsene Bildhauerin, die sich in ihren Werken auf kunst und gesellschaftshistorische Phänomene bezieht, hat die musealen Räume in ein Setting verwandelt, das als starke skulpturale Geste feinsinnig und kritisch die Geschlechterrollen hinterfragt.
Das #Hauptwerk der #Ausstellung ist die raumfüllende Arbeit »P7340LH« (2023). Diese besteht aus etwa 2.000 #Autoreifen, die für den Recyclingprozess zusammengepresst zu jeweils 120 mal 100 mal 80 Zentimeter großen und 600 Kilo schweren Kuben geformt wurden. In der Ausstellung erinnert die Installation an die Form einer Küchenzeile. Henke interpretiert in dieser Arbeit die »Küche für den Mann« neu, die 2007 von der Herforder Firma #Poggenpohl gemeinsam mit #Porsche #Design realisiert wurde. Einst aus Carbon und Aluminium, mit einer glatten, puren Ästhetik und dunklen Farben gefertigt, sollte die sog. »P7340« ein »neues« Klientel ansprechen. In Henkes Installation trifft das häusliche Umfeld der Küche auf das ultimative Freiheitsversprechen der Straße: Die Küche und das Auto verbinden sich in dem Entwurf, aber ebenfalls in der beeindruckenden Installation. Das Spiel zwischen Küchenmöbel, Skulptur und Präsentation wird im musealen Raum einmal mehr zum ambivalenten #Objekt.
Des Weiteren beschäftigte sich Henke in den letzten Jahren in einer umfassenden Recherche mit dem Berliner Hansaviertel, dass in den 50er Jahren entstanden ist. Die Künstlerin interessierte vor allem, welche Rollen Frauen in der Entwicklung des Stadtviertels und der Wohnungen gespielt haben. Das skulpturale Ergebnis dieser Recherche bildet eine Edition von vier Versionen bekannter Braun Küchengeräte, die in die Reifen Küchen Installation integriert sind: Digital verändert, auf das 1,5 fache vergrößert und monochrom in typischen Farben der 50er Jahre in Gummigranulat gefasst, bilden »Better Be Old Iron than New Tin (Mixer)«, »The Mind Is like an Umbrella—It’s most Useful when Open (Saftpresse)«, »Every one of my Buildings begins with an Italian Journey (Kaffee)« und »Form Follows Feminine (Kueche) (2022) Sinnbilder ihrer Zeit«. Passend dazu läuft auf einem der vielen Kuben, der an einen großen Küchentisch erinnert, der Werbefilm »The Critic Laughs« von Richard Hamilton aus dem Jahr 1980 in Dauerschleife. Der #Pop #Art Künstler untersucht die Sprache von Design und spielt ebenfalls auf die Entwürfe der Firma #Braun an.
Neben der raumumfassenden Installation wird in »Good Year« die Skulpturengruppe »The Baby Will Always Be Me« (2020) gezeigt, die sich auf die zwei Seitenräume der Lippold Galerie erstreckt. Die Gruppe besteht aus einer überlebensgroßen, cyborgartigen Kleinkindfigur, einer überdimensionalen Wäschespinne und einem verkleinerten Strommasten. Während der Strommast beim Betreten der Ausstellung auffällt, sind #Wäschespinne und #Kleinkindfigur nur durch ein Fenster, das einer Küchendurchreiche gleicht, zu sehen. Die drei Elemente sind durch entlang der Decke verlaufende Kabel miteinander verbunden. Henke entwickelte diese Arbeit als ein abstraktes Familienbild: Die Kleinkindfigur ist der Künstlerin selbst nachempfunden, die Wäschespinne und der Strommast sind als Mutter und Vaterfiguren interpretierbar.
Im letzten Raum der Ausstellung hängt vor einer in Terrarot gestrichenen Wand Lena Henkes »Dreihasenbild« (2015). Nicht allein durch das Motiv, welches dem Dreihasenfenster aus dem Kreuzgang des Paderborner Doms nachempfunden ist, auch durch die Größe der Arbeit, die Wandfarbe, Beleuchtung sowie die Installation von zwei Sitzbänken, bekommt der Raum etwas Sakrales. Die Künstlerin fertigte ihre Version des Bildes aus Fiberglasseil, Strohbändern und Kunstharz. Der Hase symbolisiert im Allgemeinen Fruchtbarkeit und Geschwindigkeit. Weitere, in vielen Kulturen verbreitete Bedeutungen des Motivs sind der Dreiklang Geburt – Leben – Tod sowie Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft.
Das Besondere am Marta Preis ist der Zuwachs um ein spezielles Kunstwerk für die hauseigene Sammlung: Lena Henke entwickelte einen Duft mit dem Titel »Marta L. Henke« (2023). Durch das Öffnen eines Emailtopfes, der vor dem Eingang der Ausstellung platziert ist, kann dieser Geruch von den Besuchern physisch erfahren werden. »Marta L. Henke« (2023) ist die erste künstlerische Arbeit dieser Art, in der Sammlung #Marta. Inspiriert von den Gerüchen ihrer Heimat in Westfalen repräsentiert der #Duft ein synästhetisches Erlebnis. In einer Zeit der medialen Bilderflut und der Bewegung in digitalen Räumen, wird der Duft ein bewusstes Statement für das physisch reale Raumerlebnis.
Lena Henkes Werk ist geprägt vom Hinterfragen ihres soziokulturellen Umfelds. Sie untersucht Machtstrukturen und Hierarchien, und schafft Interventionen in gewohnte Konventionen. Viele installative Settings entwickelt sie in situ und bezieht die räumlichen Gegebenheiten ebenso mit ein wie die Interpretation und Prägung eines Ortes. Genauso ist ihr Werk charakterisiert durch ein starkes Bewusstsein für die Kunstgeschichte und bildhauerische Traditionen. Oft nimmt sie bewusst Anleihen bei bestehenden Werken, eignet sich diese an und transformiert sie in eigene Formen. Gleichzeitig bildet sich innerhalb ihres Werkes ein eigenes ikonografisches Bildsystem, in dem bestimmte Motive immer wiederkehren und weiterentwickelt werden. Nicht zuletzt testet Henke die Bedingungen und Möglichkeiten der Bildhauerei mit technisch innovativen Herstellungsverfahren aus und schafft so einnehmende Skulpturen, die oft von einer klaren Form und Farbsprache charakterisiert werden und ein vielschichtiges Referenzsystem eröffnen.
Die Preisträgerin Lena Henke
Lena Henke wurde 1982 in Warburg geboren, sie lebt und arbeitet in Berlin und New York. Ihr Studium absolvierte sie von 2004 bis 2010 an der Städelschule, Frankfurt am Main, und der Glasgow School of Art (Schottland) mit einem Abschluss in Frankfurt bei Prof. Michael Krebber. Die Künstlerin wurde 2019 mit dem Rubens Förderpreis der Stadt Siegen ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt sie einen Pollock Krasner Foundation Grant.
Lena Henke kann unter anderem Einzelausstellungen im Museum für Gegenwartskunst Siegen, DE (»My Fetish Years«, 2019), in der Kunsthalle Zürich, CH (»An Idea of Late German Sculpture: To the People of New York«, 2018), in der Schirn #Kunsthalle, Frankfurt am Main, DE (»Schrei mich nicht an, Krieger!«, 2017), im Kunstverein Braunschweig, DE (»Available Light«, 2016), bei S. A. L. T. S. in Basel, CH (»My History of Flow«, 2016), im Kunstverein Dortmund, DE (»Hellweg«, 2015) oder im Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl, DE (»Yes, I’m pregnant«, 2014) vorweisen. Sie war an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen beteiligt, darunter: Rockefeller Center New York, USA (2020); #Kunsthalle #Bielefeld, DE (2019); Skulpturengarten Tillburg, NL (2019); Whitney Museum of Art, New York, USA (2018); CCS Hessel Museum of Art, Annandale on Hudson, USA (2018); Kunstmuseum Luzern, CH (2018); Schirn Kunsthalle Frankfurt am Main, DE (2017); Sprengelmuseum Hannover, DE (2017); Museum of Contemporary Art, Detroit, USA (2017); Timisoara Contemporary Art Biennale, RO (2017); Manifesta 11, Zürich, CH (2016); 9. Berlin Biennale, DE (2016); La Biennale de Montréal, CA (2016); Kunstverein Braunschweig, DE (2016); Triennale of Small Sculpture, Fellbach, DE (2016); S.A.L.T.S., Basel, CH (2016); The New Museum, New York, USA (2015); Socrates Sculpture Park, New York, USA (2015); Kunsthalle Bern, CH (2014); Kuenstlerhaus Graz, AT (2014); White Flag Projects, St. Louis, USA (2014); Institute of Contemporary Art, Miami, USA (2013); Kunstverein Aachen, DE (2012).
Werke der Künstlerin befinden sich unter anderem in Sammlungen des Whitney Museums in New York, dem CCS Hessel Museum in Annandale on Hudson, der Bundeskunstsammlung in Bonn, dem Belvedere, Wien, dem MAMCO – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Genf, dem Institute of Contemporary Art, Miami oder dem Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl. Henkes permanente Außenskulpturen sind unter anderen im Skulpturen Park Köln und dem Socrates Sculpture Park in New York zu sehen. Im Winter 2023 wird sie mit einer neuen Außeninstallation das Rooftop des Aspen Art Museums in Colorado bespielen.
Der Marta Preis
Lena Henke ist die 5. Preisträgerin des Marta Preises, der seit 2014 von der Wemhöner Stiftung gestiftet wird. Die Künstlerin überzeugte die Jury vor allem mit ihrem ganzheitlichen Blick auf die Skulptur und ihre Einbindung des räumlichen und sozialen Umfelds. Der Marta Preis der Wemhöner Stiftung sieht die Beauftragung eines hochrangigen künstlerischen Werks für die Sammlung Marta vor. Mit insgesamt 25.000 Euro werden die Produktionskosten sowie ein #Honorar gestellt. Seit dem letzten Marta Preis und auch zukünftig richtet das Marta den Preisträgern eine Einzelausstellung mit begleitendem Katalog ein.
Termine
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Freitag, 1. September 2023, 18 bis 22 Uhr, Eröffnung »Lena Henke: Good Year – Marta Preis der Wemhöner Stiftung«, ab 18 Polter Performance mit der Künstlerin auf der Marta Plaza, 19:00 Begrüßung und Einführung von Kathleen Rahn, Direktorin Marta Herford sowie Preisverleihung an Lena Henke durch Heiner Wemhöner, Vorsitzender des Kuratoriums der Wemhöner Stiftung; ab 20.00 Uhr DJ Jurie Wonder (im Marta Café): »Best of Funk ’n’ Soul and 80s Pop Gems«
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Sonntag, 12. November 2023, 16 bis 17 Uhr Katalogpräsentation und Gespräch zwischen Lena Henke und Direktorin Kathleen Rahn.
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Sonntag, 26. November 2023, 14 bis 15 Uhr »Im Marta mit…«: Dialogischer Rundgang durch die Ausstellung mit Direktorin Kathleen Rahn und Kuratorin Anna Roberta Goetz.
Marta Herford, Außenansicht des Museumsbaus von Frank Gehry, im Mai 2005. Foto: Wittekind, Ausschnitt, CC BY, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen
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Marta Herford
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