Vom Wollen, Wegen und Rationalisierung

Gütersloh, 8. Dezember 2023

  • Bekanntlich gilt: »Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe«.

  • Es gilt sogar: »Wer will, braucht keine Gründe, wer nicht will, hingegen schon«.

  • Das nennt man in der Psychologie »Rationalisierung«.

Rationalisierung

Als #Rationalisierung oder Rationalisation (abgeleitet von lateinisch »ratio« für #Berechnung, Rechenschaft, Rechnung, Vernunft) bezeichnet man in der #Psychologie einen Prozess, bei dem für ein Verhalten vernunftbegründete Erklärungen gegeben werden, während andere »unvernünftige Gründe« für das Verhalten verborgen bleiben. Dies geschieht nicht nur gegenüber Dritten, sondern vor allem auch als »innere Ausrede«. Rationalisierung ist ein allgemeines menschliches Verhalten, das nicht zwangsläufig als #Störung betrachtet wird, da aber auch in neurotischen und psychotischen Prozessen eine Rolle spielt.

In der Kognitiven Psychologie nach Leon Festinger dienen Rationalisierungen dazu, kognitive #Dissonanzen zu reduzieren und helfen der Person, ein kohärentes Selbstbild aufrechtzuerhalten. Sie dienen der nachträglichen Selbstbestätigung von getroffenen Entscheidungen sowie der übergreifenden Selbstrechtfertigung.

In der #Psychoanalyse, eingeführt von Ernest Jones, bezeichnet Rationalisierung einen alltäglichen Vorgang, bei dem scheinbar rationale Erklärungen für Handlungen oder Erlebnisse gegeben werden, die auf gefühlsmäßige, unbewusst bleibende Beweggründe zurückzuführen sind. Es handelt sich um eine Rechtfertigung des eigenen Verhaltens, anstatt sich mit den eigentlichen, bedrohlichen, unbewussten Handlungsmotiven auseinanderzusetzen.

In der Psychopathologie gilt Rationalisierung als bevorzugter Abwehrmechanismus bei der antisozialen bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung. In der #Hypnose bezieht sich Rationalisierung auf das Hervorbringen einer vernünftig erscheinenden Erklärung für das Befolgen posthypnotischer Befehle.

Gesellschaftliche Rationalisierung findet sich in interpersonalen und institutionellen Abwehrfigurationen. Sie erfüllt einerseits vital wichtige Funktionen für die Sicherung einer #Institution als Ganzes, birgt jedoch andererseits die #Gefahr der #Verhärtung und nicht mehr funktionalen #Verfestigung einer Institution. Studien im politischen Umfeld zeigen, dass Menschen politische Entscheidungen rationalisieren und in einem positiveren Licht sehen, sobald sie in Kraft getreten sind. Was auf der kollektiven Ebene als #Ideologie bezeichnet wird, lässt sich einzelpsychologisch als Rationalisierung erfassen.