Gütersloh, der »Nettelbeckweg« und der Moralismus
Gütersloh, 13. April 2024
Das Thema »Nettelbeckweg« ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich der Moralismus (Wokismus oder Wokeismus ist Moralismus) selbst in den Schwanz beißt.
»Cancelt« man den Namen, dann ist das gleichzeitig moralisch und unmoralisch. Was tun? »Cancelt« man ihn nicht, ist es dasselbe. Was tun?
Das ist eben das #Dilemma der #Moral. Letztlich ist sie eben die »Wichtigtuerei des Menschen vor der #Natur«.
Und wer ist es denn, der immer Künstler und Werk trennen will? Und gleichzeitig nicht?
Aber genau das ist der Punkt: Wird hier nun die Person »geehrt«? Sein »Werk« ja wohl kaum. Die Moralisten behaupten, mit der Person werde gleichzeitig auch ihr Werk geehrt. Legt man das dann aber so aus, dass etwa bei »Langstrecken Luisa« dann ja auch Langstreckenflüge »geehrt« werden, dann leugnen sie das auf einmal. Was denn nun?
Man könnte doch den Weg in »Nicht-Nettelbeck-Weg« umbenennen? Oder in »Unnettelbeckweg«? Oder unter dem Schild »Nettelbeckweg« noch ein Schild mit der Aufschrift »Sklavereiweg« anbringen? Aber das wird wohl niemandem gefallen. Werden dann an dem armen Weg »Künstler«, »Werk« und nun sogar Anwohner zusammengebracht? Sind die Anwohner auch Profiteure der Sklaverei, wenn sie den Straßennamen beibehalten wollen? Und wenn man das weiterspinnt, demnächst alle ihre Besucher? Alle, die wen Weg befahren? Muss es eine Sklavereimaut geben? Ein Schandmal als Autoaufkleber?
Wieso trauen sich die Moralisten kleinkariert an Wegbezeichnungen? Und nicht an Rommelkasernen? Oder an Martin Luther Kirchen? #Luther war ein Reformator, aber auch ein großer Antisemit. Wer hat denn keine Leichen im Keller? Vor allem doch die #Moralisten!
Ein QR Code ist jedenfalls albern, kindisch und unangemessen. Hier ist die Form eine Verballhornung des ganzen Themas.
Das Sinnvollste wäre es wohl, den Wegnamen zu belassen. Und im angemessenen Rahmen über den Namen »Nettelbeck« zu sprechen (was ja nun stattgefunden hat und stattfindet). Aber man kann (und will) nun einmal nicht ständig über alles sprechen. Das führt auch zu nichts. An wievielen Straßenschildern sollen denn dann demnächst QR Codes angebracht werden? Wie viele Straßen sollen denn dann demnächst aus moralischen Gründen umbenannt werden?
Passt es denn den Moralisten, wenn Grudziądz ständig als »Graudenz« bezeichnet wird? Mit dem einst deutschen Ortsnamen? Ist es irgendwie »rechts«, das zu tun?
Es ist ja nicht so, als hieße der »Nettelbeckweg« »Hitlerweg«. Und nun irgendwelche unaussprechlichen Hereronamen zu verwenden fällt in die Kategorie der Krokodilstränen. Ähnlich ist es auch mit Holland. Es ist Wichtigtuerei, auf dem Begriff »Niederlande« zu bestehen.
Schon Harald #Schmidt hat sich an diesem Thema abgearbeitet … aber als Kyniker … »#Straßburg. War mal deutsch. He, he, he! Es war mal deutsch! Da wird sich aufgeregt, als hätte ich gesagt, Adolf Hitler war mal deutscher Reichskanzler. Was auch der Fall war. Um Gottes Willen! Der Satz ›Straßburg war mal deutsch‹ gibt Aufregung, Empörung, Parteiaustritte« …
Letztlich ist es so. Wir benennen die Straße ja nicht jetzt nach Old Nettelbeck. Das haben Leute vor vielen Jahrzehnten getan. Das Beste, was man tun kann, wenn man etwa die Sklaverei ablehnt, ist es, keine Sklaverei zu betreiben. Zu Moralisieren ist eben reine Wichtigtuerei. Woher kommt denn der Wohlstand, der es den Moralisten ermöglicht, überhaupt Moralisten zu sein? Das wollen sie wohl lieber gar nicht wissen. Denn letztlich haben sie den auch einem Nettelbeck zu verdanken. Wobei der natürlich ein kleines Licht war.
Immerhin kann man, wenn man will, daraus lernen, dass »Personenkult« immer eine schlechte Sache ist. Das sollte man nicht tun. Straßen und Plätze sollten wohl neutral bezeichnet werden. Und die Benennung einer Straße mit einem Personennamen ist zweifellos Personenkult. Über eine Person zu sprechen, ein Buch über sie zu schreiben, hingegen nicht.
Und hinzu kommt, was eine der vernünftigen Aussagen von Svenja Flaßpöhler ist, dass man Ambivalenz aushalten muss. Jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Und die Bezeichnungen, die diesen Grad deutlich überschritten haben, sind ja längst beseitigt worden. Nicht wahr?
Wo würden denn die Moralisten dann weitermachen? Etwa beim Kaiserquartier? Warum heißt es nicht Friedrich Ebert Quartier? Oder Eickhoffquartier? Und nach welchem Kaiser ist es denn benannt? Beziehungsweise die Straße? Etwa nach dem letzten Deutschen Kaiser? Du lieber Gott! Oder nach dem Begriff an sich? Sind das alles Royalisten? Monarchisten? Imperialisten?
Oder beim #Dreiecksplatz? Was hat denn 3 Ecken? Der Hut. Welcher Hut? Der der preußischen Soldaten? Du lieber Gott!
Darf Preußen Münster so heißen? Großer Gott! Muss Neuschwanstein abgerissen werden? Muss in Afrika über deutsche Straßennamen entschieden werden? Oder umgekehrt (ach nein, das ist Gott sei Dank lange vorbei).
Wollen die Moralisten alles »canceln«? Und dann? Bei Null anfangen? Wohl kaum. Und das tun sie ja auch nicht. Wie klimaneutral und moralisch korrekt ist denn der Sekundenkleber der Klimakleber? Wie moralisch korrekt ist Cyanacrylat und dessen Herstellung, Supply Chain, dessen historischer Hintergrund?
Man kann den Moralisten wirklich nur ans Herz legen, sich mit Werken wie »Jenseits von Gut und Böse« zu beschäftigen, mit dem Begriff »Moralin«, mit Postmodernisten wie Derrida oder Ken Wilber. Und dann auch mit Humanisten. Vielleicht wird dann einiges klarer.
Der Moralismus (und Wokismus/Wokeismus) hat einen Geruch von »New Age« und »Esoterik«. Aber das ist eben bekanntlich auch »Braune Suppe«.
Jedenfalls ist das Thema »Nettelbeckweg« nicht nur ein Paradbeispiel für das eingangs Gesagte. Sondern auch für das Thema »Spaltung«. Viele sehen sich nun dazu gezwungen, entweder auf dem Namen zu beharren, oder auf einer Umbenennung zu beharren.
Vernünftig wäre es wohl, den Namen, besser gesagt, das, was damit in Verbindung gebracht wird, abzulehnen, aber die Umbenennung ebenfalls abzulehnen. Womit wir wieder vor einem Dilemma stehen. Das einfach gelöst werden kann. Wie? Das steht in »Jenseits von #Gut und #Böse«. Sowohl in dem von Nietzsche, als auch in dem von Schmidt Salomon. Moral ist nicht gut. Sie ist in Wahrheit böse.