Am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Auch in Gütersloh wurden Jüdinnen, Juden und anderen Menschen, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten, verschleppt. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslagern vergast. Viele wurden vergessen.

Mit dem Projekt »verschleppt, vergast, vergessen« soll durch ein dreitägiges Mahnmal vom 25. bis zum 27. Januar 2013 an die Gütersloher Opfer des Holocaust erinnert werden. Die große Kastanie auf dem Berliner Platz wird mit 44 Alltagsgegenständen behängt. Sie sollen die 44 Menschen aus Gütersloh symbolisieren, die durch das unmenschliche NS Regime aus ihrem Alltag und ihrem Leben gerissen wurden.

Ludwig Kaufmann

Ludwig Kaufmann war Doktor der Rechtswissenschaft. Aus Furcht vor den Nazis floh Ludwig mit seiner Frau Greta nach Holland. Um wenigstens ihren Sohn Peter vor der Deportation und dem sicheren Tod zu retten, gaben seine Eltern ihn in die Obhut einer christlichen Familie. Ihr eigenes Leben konnten sie nicht retten.

Rudolf Beifus

Rudi, wie Rudolf Beifus auch genannt wurde, war erst 6 Jahre alt als er in einem völlig überfüllten Zug in das Konzentrationslager Ausschwitz transportiert wurde. Wir wissen, dass er den Holocaust nicht überlebte. Wir wissen auch, dass Rudi seine Kindheit verlor und somit sein noch viel zu junges Leben.

Lina Stern

Lina Stern war eine in ganz Gütersloh bekannte Klavierlehrerin. Sie war sehr beliebt und konnte mit ihrem musikalischen Können jeden ihrer Zuhörer verzaubern. Im hohen Alter von 83 Jahren verstarb sie an den Anstrengungen der unmenschlichen Deportation. Nun ist ihr Klavier verstummt. 

Janusz Korczak

Janusz Korczak wurde am 22. 7. 1878 in Warschau geboren. Er war ein polnischer Arzt, Pädagoge und Schriftsteller. Das seit 1911 von ihm geführte Waisenhaus für jüdische Kinder wurde 1939, nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen, in das »Warschauer Ghetto« verlegt. Im August 1942 wurden die Kinder in das Konzentrationslager Treblinka deportiert. Janusz Korczak begleitete sie. Trotz mehrerer Angebote, die ihm zur Flucht verholfen hätten können und somit sein eigenes Leben gerettet hätten, blieb Korczak bei seinen Kindern. Er und seine Kinder starben im selben Monat.

  • »Nicht mich will ich retten, sondern meine Idee«, Janusz Korczak

Anne Frank

Anne Frank wurde als Kind jüdischer Eltern am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren. Zusammen mit ihrer Schwester Margot und ihren Eltern verbrachte sie dort ihre ersten Lebensjahre. Mit fünf Jahren flüchtete Anne Frank mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten in Deutschland in die Niederlande. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, war die Familie auch dort nicht sicher und lebte zwei Jahre lang versteckt in Amsterdam. Zu dieser Zeit hielt Anne Frank ihre Gedanken und Erlebnisse in einem Tagebuch fest. Doch das Versteck wurde verraten und Anne Frank und ihre Familie wurden deportiert. Im Jahr 1945 stirbt Anne Frank mit nur 15 Jahren in dem Konzentrationslager Bergen-Belsen. Mit der Veröffentlichung ihres Tagebuches durch ihren Vater Otto, steht Anne Frank mit ihrer Geschichte stellvertretend für die Millionen unschuldigen Opfer des Holocaust. 

  • »Solange es das noch gibt, diesen wolkenlosen blauen Himmel, darf ich nicht traurig sein«, Anne Frank.

Systematischer Massenmord

Der Holocaust war der systematische Massenmord an bis zu 6,3 Millionen Menschen durch das NS-Regime. Nicht nur Juden sondern auch Homosexuelle, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und viele andere Menschen fielen der Ermordung der Nazis zum Opfer. Ab 1941/42 begann die umfassende Deportation aus nahezu allen Teilen Europas, die sich im deutschen Machtbereich befanden. Die Transporte erfolgten zumeist mit der Eisenbahn. 

Nach der Ankunft in den Konzentrationslagern erfolgte die »Selektion«. Dort wurde innerhalb von Sekunden über Leben und Tod entschieden. Die als »arbeitsfähig« eingestuften Personen wurden in das Lager aufgenommen. Wer als »arbeitsunfähig« galt, wurde sofort nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet. Dies waren häufig 70 bis 80 Prozent eines Transportes. 

Die »arbeitsunfähigen« Personen mussten ihre Kleidung, ihren Schmuck, ihre Brillen und Prothesen ablegen. Ihre Haare wurden abrasiert und anschließend wurden sie zusammengepfercht in Gaskammern ermordet. Zwanzig Minuten dauerte es, dann waren keine Hilferufe mehr zu hören. Die Leichname wurden von anderen Häftlingen aus den Gaskammern gezogen und in Krematorien verbrannt.  

Dies ist nur ein Beispiel für die Methoden der Mörder, unzählige Menschenleben systematisch auszulöschen. Giftspritzen, Erhängen, Erschießen, Verhungern oder Tod bringende Bedingungen der Zwangsarbeit sind ebenfalls dokumentiert. 

  • Wie viele Menschen kann man an einem Tag vergasen?
  • Wie viele Leichen kann man an einem Tag verbrennen?
  • Fragen, auf die man heute keine Antwort mehr will?

Gewidmet

Paul Hope, Jahrgang 1899, deportiert, Auschwitz

Lucia Levy, geborene Hope, Jahrgang 1896, deportiert 1941, Riga

Emma Löwenstein, geborene Wolf, Jahrgang 1856, deportiert 1942, Theresienstadt 

Julius Wolf, Jahrgang 1881, deportiert 1942, Lodz 

Friedrich Wolf, Jahrgang 1891, deportiert 1943, Lodz 

Hermann Wolf, Jahrgang 1874, deportiert 1943, Auschwitz

Max Wolf, Jahrgang 1875, deportiert 1941, Minsk 

Benjamin Eisenstein, Jahrgang 1876, deportiert 1943, Auschwitz 

Emmi Eisenstein, geborene Lion, Jahrgang 1882, deportiert 1943, Auschwitz

Leonhard Beifus, Jahrgang 1904, deportiert 1943, Auschwitz 

Lieselotte Beifus, geborene Daltrop, Jahrgang 1910, deportiert 1943, Auschwitz 

Rudolf Beifus, Jahrgang 1937, deportiert 1943, Auschwitz 

Jenny Daltrop, geborene Buchheim, Jahrgang 1883, deportiert 1942, Osten 

Paula Daltrop, geborene Löwenstein, Jahrgang 1883, deportiert 1942, Osten 

Theodor Daltrop, Jahrgang 1881, deportiert 1941, Lodz

Ernst Löwenbach, Jahrgang 1872, deportiert 1942, Theresienstadt

Martha Löwenbach, Jahrgang 1874, deportiert 1942, Theresienstadt 

Ida Löwenstein, geborene Meyer, Jahrgang 1868, deportiert 1943, Sobibor

Klara Herzberg, geborene Levy, Jahrgang 1886, deportiert 1941, Riga

Sophie Meinberg, geborene Rosenbaum, Jahrgang 1864, deportiert 1942, Theresienstadt

Hilde Heinemann geborene Katz, Jahrgang 1914, deportiert 1942, Warschau 

Max Katz, Jahrgang 1873, deportiert 1942, Warschau 

Selma Katz, geborene Hamlet, Jahrgang 1885, deportiert 1942, Warschau

Grete Kaufmann, geborene Steinberg, Jahrgang 1910, deportiert 1943, Auschwitz 

Ludwig Kaufmann, Jahrgang 1912, deportiert 1943, Auschwitz 

Hannchen Levy, geborene de Vries, Jahrgang 1881, deportiert 1941, Riga 

Bernhard Levy, Jahrgang 1882, deportiert 1941, Riga 

Else Plaut, geborene Meinberg, Jahrgang 1895, deportiert 1942, Warschau 

Erika Plaut, Jahrgang 1930, deportiert 1942, Warschau 

Josef Steinberg, Jahrgang 1877, deportiert, 1943, Auschwitz 

Friedrich Stern, Jahrgang 1890, deportiert, 1944 Minsk

Sara Stern geborene Jonas, Jahrgang 1858, deportiert 1942, Theresienstadt 

Lina Stern, Jahrgang 1860, deportiert 1943, Theresienstadt 

Emma Blumenthal, geborene Ruthenburg, Jahrgang 1868, deportiert 1943, Auschwitz 

Sofie Schönenberg, geborene Wolf, Jahrgang 1892, deportiert 1943, Auschwitz 

Gustav Ruthenburg, Jahrgang 1882, deportiert 1941, Kowno 

Bernhard Ruthenburg, Jahrgang 1883, deportiert 1943, Auschwitz 

Rosa Weinberg geborene Ruthenburg, Jahrgang 1886, deportiert 1942, Auschwitz 

Paula Ruthenburg, Jahrgang 1888, gedemütigt, entrechtet, Flucht in den Tod 1942 

Karl Ruthenburg, Jahrgang 1892, deportiert 1944, Auschwitz

Luise Ostheimer, geborene Ruthenburg, Jahrgang 1896, deportiert 1943, Sobibor 

Anna Rosendahl, geborene Ruthenburg, Jahrgang 1901, deportiert 1942, Auschwitz 

Wilhelm Ruthenburg, Jahrgang 1894, deportiert, Auschwitz 

Selma Visser geborene Eichwald, Jahrgang 1878, deportiert 1942, Riga

Die Gruppe

Engagierte Jugendliche aus dem Kreis Gütersloh haben sich 2013 zu der Gruppe »ich bin – mensch« zusammengeschlossen. »Wir wollen mit unterschiedlichen Aktionen und Projekten für die Toleranz und Akzeptanz der menschlichen Vielfalt werben. Wir handeln im Sinne des Anne Frank Zentrums in Berlin und haben es uns zur Aufgabe gemacht, Anne Franks Wünsche und Hoffnungen auf eine offenere Gesellschaft zu verwirklichen.  «

»O ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod«, Anne Frank am 5. April 1944.

Unterstützt wird die Gruppe von der Stadt Gütersloh, der Janusz Korczak Gesamtschule Gütersloh, der Anne Frank Gesamtschule Gütersloh, der Freiwilligen Feuerwehr Gütersloh und dem Anne Frank Zentrum in Berlin.