Als »Gaslighting« (Kompositum aus englisch »gas« und »lighting«, deutsch: »Gasbeleuchtung«, in diesem Zusammenhang aber auch im Deutschen als »Gaslighting« bezeichnet) wird in der Psychologie eine Form von psychischer Gewalt beziehungsweise psychischem Missbrauch bezeichnet, mit der Opfer gezielt desorientiert, manipuliert und zutiefst verunsichert werden und ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich deformiert beziehungsweise zerstört wird.

Der Begriff stammt ursprünglich vom Titel des Theaterstücks »Gas Light« des britischen Dramatikers Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938, in dem diese Praxis erstmals beschrieben und thematisiert wurde. Das Thema wurde durch den Film »Das Haus der Lady Alquist« mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle weltbekannt. Der Begriff wird seit den 1960er-Jahren auch umgangssprachlich und als psychologischer Fachbegriff verwendet, um Bemühungen zu beschreiben, jemandes Wahrnehmung der Realität zu manipulieren. Die Täter werden auch als »Gaslighter« bezeichnet.

Verlauf

Die Wahrnehmung der Realität wird beim Opfer in Frage gestellt. Dies geschieht nicht permanent, aber wiederholt und über einen langen Zeitraum durch eine oder mehrere Personen. Das kann durch Verleugnung von real existierenden Dingen, Verhaltensweisen oder Ereignissen geschehen, seltener auch durch eine bewusste Inszenierung derselben. Dabei ist eine Grundvoraussetzung, dass sich Täter und Opfer in einem Vertrauensverhältnis befinden, also dass das Opfer dem Täter und seinen manipulierenden Aussagen vertraut. Mit der Zeit beginnen die Opfer, an ihrem Gedächtnis, ihrer Wahrnehmung und an ihrem Verstand zu zweifeln. Die manipulativen Aussagen lassen sich nicht durch eine Drittperson überprüfen, weil das Opfer dem Täter vertraut.

Besonders perfide ist es, wenn Täter auch Menschen aus dem sozialen Umfeld des Opfers manipulieren und dazu bringen, dass sie den Standpunkt oder die Aussagen des Täters bestätigen oder ebenfalls die Wahrnehmungen des Opfers anzweifeln und so unbewusst in der »Inszenierung« des Täters mitwirken. Hierdurch kann oft innerhalb kurzer Zeit das Selbstvertrauen des Opfers weitgehend zerstört und eine soziale Isolierung erreicht werden.

Nicht allen Tätern sind die Mechanismen der Methode und deren Bezeichnung als Gaslighting bewusst, insbesondere bei Menschen mit dissozialer, narzisstischer oder psychopathischer Persönlichkeitsstörung. Abgesehen von solchen Erkrankungen wird in den meisten Fällen von einer gezielten Anwendung ausgegangen. Motiv der Täter ist Machtausübung über das Opfer.

Es gibt Literatur zum Erkennen der Einschüchterung von Arbeitnehmern durch Chefs mit Persönlichkeitsstörung mittels Gaslighting. Auch im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs (aber auch bei anderen Missbrauchsformen, wie emotionalem Missbrauch) benutzen Täter häufig Gaslighting, um sowohl während der Tat als auch danach die Opfer gezielt zu manipulieren und/oder um ein Abhängigkeitsverhältnis herzustellen.

Ähnliche Methoden können zum Beispiel in totalitären Regimen und Sekten als potentes Mittel im Rahmen von Gehirnwäsche, »Zersetzung« (Stasi), Manipulation und Indoktrination Anwendung finden und beim Opfer unter anderem zu tiefgreifender und nachhaltiger, teilweise existenzieller Verunsicherung und Verwirrung, zu Schwächung und Schädigung von Selbstbewusstsein, Persönlichkeit und Widerstandskraft, zur Herbeiführung von Angst- und Panikzuständen bis hin zu Wahnvorstellungen und psychotischen Zuständen führen.

Beispiele

Gaslighting funktioniert häufig nach ähnlichem Schema und mit ähnlichen Techniken:

  • Absprechen der Berechtigung oder Uminterpretieren der Gefühle des Opfers,
     
  • behaupten, das Opfer hätte etwas getan oder gesagt, woran es sich selbst jedoch nicht erinnern kann,
     
  • behaupten beziehungsweise leugnen, selbst etwas Bestimmtes getan oder gesagt zu haben,
     
  • bestreiten, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat,
     
  • Manipulieren von Dingen in der Wohnung oder im Umfeld des Opfers (zum Beispiel Gegenstände an ungewöhnliche Orte legen, Alltagsgegenstände oder Dokumente verstecken, in Abwesenheit des Opfers Kleinigkeiten in der Wohnung verändern, das Radio einschalten, die Wohnungstür nicht richtig abschließen, Auto des Opfers umparken et cetera) und das Opfer beschuldigen, es sei zerstreut oder desorganisiert,
     
  • dem Opfer unzutreffende Realitätswahrnehmung oder falsche Realitätsbeurteilung vorwerfen,
     
  • dem Opfer die Schuld geben für Streit, Schwierigkeiten in der Beziehung, das Scheitern von Freundschaften, Probleme am Arbeitsplatz oder Lebensprobleme et cetera,
     
  • dem Opfer die Worte im Mund herumdrehen oder ihm Worte in den Mund legen,
     
  • dem Opfer unangemessenes Verhalten, Körpersprache oder Bekleidung vorwerfen,
     
  • dem Opfer einreden, dass dieses etwas nicht könne, nicht gut genug sei, unqualifiziert sei,
     
  • andere Menschen im Umfeld des Opfers (gegebenenfalls auch durch Manipulation) instrumentalisieren in einer »Inszenierung«, sie zum Beispiel veranlassen, in Gesprächen Partei für sich selbst beziehungsweise gegen das Opfer zu ergreifen oder Aussagen zu bestätigen,
     
  • der sozialen Isolation des Opfers (beziehungsweise auch dessen Abhängigkeit oder Bindung an den Täter) Vorschub leisten, beispielsweise indem das Vertrauensverhältnis des Opfers zu Freunden und Verwandten untergraben wird,
     
  • sein wahres Gesicht als Gaslighter allenfalls dem Opfer gegenüber zeigen, jedoch nicht anderen Menschen gegenüber oder in Gesellschaft,
     
  • das Opfer einerseits partiell loben, ihm aber gleichzeitig ein legitimes Verhalten als nonkonform oder inadäquat vorhalten.

Fernsehsendungen mit versteckter Kamera wie zum Beispiel »Verstehen Sie Spaß?« nutzen das Gaslighting gelegentlich für die Produktion ihrer Scherzfilme, beispielsweise in »Der verwirrte Maler«. Ein völlig gesunder Anstreicher, dem von Lockvögeln der Sendung eine falsche Farb- und Formenwahrnehmung vorgegaukelt wird, ist bereits nach wenigen Minuten der festen Ãœberzeugung »Ich muss ins Krankenhaus«.

Ebenfalls beschrieben wird Gaslighting in den Filmen »Der schwarze Spiegel«, »Wiegenlied für eine Leiche«, »The Girl on the Train«, »Neunzehnhundertvierundachtzig«, »1984« und »Die Truman Show«.

Psychische Folgen

Die Opfer von Gaslighting erleiden nicht selten sogar komplexe, schwergradige (chronische, floride oder progrediente) psychische Erkrankungen. Sie verfallen in eine tiefe Depression, Angst-, Panik- oder wahnhafte Zustände und können zudem auch eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Dissoziative Störung entwickeln und/oder ihre gesamte Persönlichkeit verändert sich (zum Beispiel zu einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung) wegen der vom Täter wiederholt genährten Selbstzweifel. Dabei kann es sogar dazu kommen, dass das Opfer denkt: »Ich bin völlig wahnsinnig geworden«, und das Gefühl hat, sein eigenes Leben nicht mehr im Griff oder den Verstand verloren zu haben. Weitere Begleiterkrankungen, auch körperlicher, psychosomatischer Art sind möglich.

Eine besondere Herausforderung in der Therapie der Opfer ist, dass sich das Manipulationsmuster des Gaslightings erst mit einem gewissen Abstand erkennen lässt. Es kann Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis ein Opfer versteht, dass es nicht die Person war, die etwas verkehrt gemacht hat oder mit der etwas nicht in Ordnung war oder ist, sondern dass es von einer anderen Person manipuliert wurde oder wird, und bis es die Folgen emotional verarbeitet hat. Oft kann es sehr viel Zeit und therapeutische Unterstützung erfordern, bis sich das Opfer wieder psychisch stabilisiert und sein früheres Selbstvertrauen wiedergewonnen hat.

In der Politik

In einem im März 2017 im »Spiegel« erschienenen Kommentar ordnet der Journalist Marc Pitzke den Umgang des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit Fakten als Gaslighting ein.

Trumps Beraterin Kellyanne Conways Darstellung von Unwahrheiten wurde ebenfalls als Gaslighting interpretiert. Die von ihr geschaffene Formulierung »alternative Fakten« wurde sowohl in Deutschland als auch in Österreich zum Unwort des Jahres 2017 bestimmt.

Am 18. April 2019 bezeichnete der Präsidentensohn Donald Trump junior auf Twitter genau umgekehrt den Umgang vieler Medien mit Trumps sogenannter Russland-Affäre als Gaslighting.

Namensherkunft

Die Methode des Gaslightings ist nach dem Theaterstück »Gas Light« des britischen Autors Patrick Hamilton benannt, das durch seine Verfilmungen »Gaslight« (1940) und insbesondere »Das Haus der Lady Alquist« (1944) weltweit bekannt wurde. In dem Stoff manipuliert der Protagonist seine Ehefrau über einen langen Zeitraum, indem er behauptet, Dinge nicht zu sehen, die sie wahrnimmt, unter anderem das Licht einer flackernden Gaslaterne. Schließlich zweifelt die Frau an ihrer eigenen Wahrnehmung und wird beinahe wahnsinnig, bevor am Schluss die Manipulation aufgedeckt wird. Obwohl Theaterstück und Filme im deutschsprachigen Raum unter anderen Titeln bekannt sind, setzte sich auch im Deutschen der englische Name der Manipulationsmethode durch.

Bewusstes Handeln

Oft sind sich Gaslighter ihres Handelns gar nicht bewusst, sie tun es intuitiv, insbesondere gilt das für Narzissten. Beispielsweise kann man mit jemandem einen Telefontermin vereinbaren, diesen dann aber kurzfristig wieder absagen, und auf ein vermeintliches Fehlverhalten des Opfers verweisen, das aber nicht näher definiert wird und diffus bleibt. Oder man schasst beispielsweise ein Opfer, spricht dann vermeintlich wohlwollend mit ihm, und erklärt ihm, wie wichtig es sei, darüber gesprochen zu haben, »damit man sich später noch in die Augen sehen könne«, während man genau das – das Gespräch geführt zu haben – eben nicht getan hat.

Besonders perfide ist es, jemanden unter vier Augen zu gaslighten, und wenn sich das Opfer dann beschwert, zum Gegenschlag auszuholen und zu behaupten, die Reaktion des Opfers sei das Problem, und nicht das eigene Verhalten: »Wenn Du so reagierst, musst Du dich nicht wundern!« … »Aber ich reagiere doch erst jetzt im Nachhinein so! Du hast dich doch falsch verhalten! Du konntest doch vorher gar nicht wissen, wie ich reagieren werde! Ich habe doch nichts falschgemacht!« … »Tja, mein Freund. Offenbar kenne ich Dich besser, als Du glaubst! Denk mal drüber nach. Deine Einstellung ist das Problem.« … »Was stimmt denn nicht mit meiner Einstellung?« … »Dass Du das nicht erkennst, ist ja eben das Problem!« …

Zum selben Themenbereich gehört auch das weitverbreitete »Nonmentioning«. Die Methoden des Gaslightings sind oft auch Rationalisierungen. In der Psychologie bezeichnet man die vermeintliche Rechtfertigung irrationalen Verhaltens durch vermeintlich rationale Argumente als »Rationalisierung«. Selbst wenn es sich um Nonsensargumente handelt. Nicht zu rationalisieren würde unter Umständen eine kognitive Dissonanz auslösen.

Ein Beispiel für Rationalisierung ist das Ignorieren von Fakten und Sachargumenten und das gleichzeitige Beharren auf eigenen, falschen Argumenten, obwohl diese klar widerlegt werden. Bekanntermaßen gilt: Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. Parallel dazu kann das Herabwürdigen des Opfers stattfinden und das Beharren auf der eigenen Machtposition: »Es ist meine Entscheidung, sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe!«. Vom Opfer wird freilich ein gegenteiliges Verhalten verlangt. Auch das ist Gaslighting. »Erteilen Sie mir bitte einen Auftrag, ich habe doch soviel für Sie getan!« … »Nein. Und das ist meine Entscheidung. Das ist eben Business. Offenbar haben Sie davon keine Ahnung.« … »Nun gut. Sie widersprechen sich zwar, aber dann sei es so.« … und umgekehrt dann aber: »Ich schaffe es nicht. Wir müssen das verschieben.« … »Aber wir haben das schriftlich fixiert. Ich bestehe darauf. Das ist eben Business.« … »Jetzt seien Sie doch nicht so, zeigen Sie doch Verständnis. Bei so einem Verhalten müssen Sie sich nicht wundern. Verträge sind dazu da, gebrochen zu werden. Wenn Sie darauf bestehen, werden Sie schon sehen.« Wiederum Gaslighting, Rationalisierung und Perfidität. Im Zeitalter des Neoliberalismus freilich wohlgelitten und allenthalben für gut und richtig geheißen.

Es werden Dinge propagiert wie »Miteinander statt gegeneinander«, »Miteinander sprechen statt übereinander«, »Respekt«, »Wertschätzung«, »Empathie«, »Humanismus« … stattfinden tut das Gegenteil des Gesagten und Behaupteten. Je nach Gelegenheit, wie es gerade passt.

Nonmentioning

Ursprünglich wurde Nonmentioning bei Twitter erfunden und fand so statt, dass man einen Tweet postete, in dem das Opfer »markiert« wurde, sodass es den Tweet gemeldet bekam, ansonsten war der Tweet aber leer. Das Opfer kommt somit ins Grübeln und fragt sich, was nicht stimmt. Ob es ein technisches Problem gibt, ob es etwas falschgemacht hat, worauf der Nonmentioner hinauswill. Mittlerweile hat Gütsel den Begriff erweitert. So kann man beispielsweise E-Mails ohne Inhalt verschicken, auf E-Mails antworten und lediglich einige Leerzeilen einfügen – bekannt ist auch die Methode, bei jemandem anzurufen und wortlos aufzulegen, oder Personen nicht zu nennen oder nicht darzustellen. Oder man reagiert einfach überhaupt nicht. Auch das ist weit verbreitet.

Gaslighting und mangelhafte Wahrnehmung

Aus Filmen sind Beispiele für unbewusstes Gaslighting aufgrund mangelhafter Wahrnehmung bekannt. Oft erreichen nur bestimmte Schlüsselwörter die notwendige Salienz, um ins Bewusstsein des Täters vorzudringen. »Lassen Sie uns durch! Ich hatte es schon und meine Frau ist nicht infiziert!« … »Ihre Frau ist infiziert? Gehen Sie zurück, Sir« … »Ich sagte, meine Frau ist nicht infiziert!« … »Sie sagten, Ihre Frau sei infiziert. Zurück, oder ich nehme Sie in Gewahrsam!« …

Oder an Bord eines Flugzeugs: »Sir, beruhigen Sie sich!« … »Ich bin ganz ruhig. Was wollen Sie von mir?« … »Sie sollen sich beruhigen, Sir. Sonst muss ich Maßnahmen ergreifen!« … »Ich bin doch ganz ruhig. Es ist ja nicht so, als hätte ich eine Bombe an Bord geschmuggelt!« … »Sagten Sie ›Bombe‹, Sir?« … das Opfer wird getasert und gefesselt.

Quelle: Wikipedia, überarbeitet

#Gaslighting #Psychologie #Manipulation #Gütersloh #Wahrnehmung #Gewalt #Nonmentioning #Rationalisierung #Rationalisierungen