Stuttgart (ots) »Autofahrer müssen sich klarmachen, dass die Reifen die einzige Verbindung zwischen Fahrzeug und Fahrbahn sind«, sagt DEKRA-Reifenexperte Christian Koch. »Mit vier nur etwa postkartengroßen Flächen halten die Reifen Ihr Auto auf der Straße. Wem das bewusst ist, der vernachlässigt seine Reifen nicht, im Interesse der eigenen Sicherheit«. Um die Bedeutung sicherer Reifen zu unterstreichen und mehr über den Ist-Zustand an deutschen Pkw herauszufinden, hat die Expertenorganisation an sechs ihrer Niederlassungen den ganzen April hindurch zusätzlich zur Hauptuntersuchung besonders auf die Reifen geschaut.
Gut 1.000 Pkw, insgesamt mehr als 4.200 Reifen, sind im Rahmen der Aktion an den DEKRA Niederlassungen Oldenburg, Minden, Chemnitz, München, Planegg und Rosenheim in die Auswertung eingeflossen. Bezogen auf Alter und Laufleistung bildeten die untersuchten Fahrzeuge eine Bandbreite ab, die mit der Gesamtflotte in Deutschland im Wesentlichen vergleichbar ist. Überprüft wurde neben Reifenalter, Profiltiefe und Fülldruck auch, ob Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen montiert und Montageempfehlungen eingehalten waren.
Fast zwei Drittel waren mit wintertauglicher Bereifung unterwegs
Im Aktionszeitraum vom 6. bis zum 30. April hatten gut 64 Prozent der Fahrzeuge wintertaugliche Bereifung aufgezogen, die das Symbol mit Berg und Schneeflocke trug. Für seit 2018 produzierte Reifen ist allein dieses Symbol für die Einstufung als wintertauglich maßgeblich, das alte M+S-Kennzeichen reicht nicht mehr aus.
»Unsere Empfehlung, von Oktober bis Ostern Winterreifen zu fahren, gilt nach wie vor. In diesem Jahr lag Ostern allerdings recht früh, und in vielen Gegenden war die Witterung danach noch kalt und teils winterlich - da ist es natürlich sinnvoll, die Winterbereifung nicht zu früh zu wechseln«, erklärt Christian Koch.
Rund zwölf Prozent der untersuchten Reifen waren als Ganzjahresreifen gekennzeichnet. »Dabei gab es natürlich regionale Unterschiede«, sagt der DEKRA-Reifenexperte. »Im Voralpenraum sind Ganzjahresreifen eher nicht zu empfehlen, weil sie einem echten Winterreifen bei Schnee und Eis unterlegen sind, und deshalb entsprechend selten. Dagegen können sie etwa für einen Winter an der Nordsee durchaus die richtige Bereifung darstellen.«
Mehr als zehn Jahre alte Reifen auf jeden Fall ersetzen
Da das Material, aus dem Reifen hergestellt sind, sich verändert, spielt das Alter eine wichtige Rolle für die Sicherheit. »Die Gummimischung härtet mit der Zeit aus«, erklärt Christian Koch, »und das hat Folgen fürs Fahrverhalten.«
Gut 45 Prozent der untersuchten Reifen stammten aus den Produktionsjahren 2018 und später, waren also maximal dreieinhalb Jahre alt. 14 Prozent waren sieben Jahre und älter, davon knapp fünf Prozent über zehn Jahre alt. Die absoluten Ausreißer mit über 20 Jahren Reifenalter machten weniger als 0,4 Prozent aus.
»Wir empfehlen, mehr als sieben Jahre alte Reifen von einem Fachbetrieb überprüfen zu lassen, ob sie noch in Ordnung sind«, so der DEKRA-Experte. »Wenn ein Reifen zehn Jahre alt ist, sollte ihn man auf jeden Fall ersetzen.«
Montageempfehlung nur selten nicht eingehalten
Für bestimmte Reifen geben Hersteller Empfehlungen für die Ausrichtung bei der Montage. Das kann zum einen die Laufrichtung betreffen, zum anderen gibt es Reifenmodelle mit einer Innen- und einer Außenseite.
»Wenn Innen- und Außenseite vertauscht sind, kann das nur bei der Montage des Reifens auf die Felge passiert sein. Solche Fehler sind ausgesprochen selten«, meint Koch. »Häufiger kommt es da schon vor, dass das Rad in der falschen Laufrichtung montiert wird, also ein linkes Rad auf der rechten Fahrzeugseite. Das kann zum Beispiel passieren, wenn man selbst die Räder wechselt.«
Beide Arten von Fehlern sorgen nicht direkt für ein echtes Sicherheitsrisiko. »Aber natürlich kann ein Reifen sein ganzes Leistungspotenzial nur ausspielen, wenn er wie empfohlen montiert ist.« Im Reifencheck stießen die DEKRA-Experten bei rund neun Prozent aller Reifen auf nicht eingehaltene Montageempfehlungen.
Fülldruck und Profiltiefe im Großen und Ganzen in Ordnung
Was den eingefüllten Luftdruck und die Profiltiefe angeht, war das Bild beim DEKRA-Reifencheck insgesamt recht erfreulich. »Beim Fülldruck gab es einzelne Ausreißer nach unten, manche auch nach sehr weit unten: Der Negativrekord lag bei 0,8 bar"«, berichtet Koch. »Auffällig war, dass zu niedriger Fülldruck bei Ganzjahresreifen häufiger vorkam. Hier fällt die routinemäßige Prüfung beim zweimaligen Wechsel jedes Jahr weg – und wenn der Autobesitzer selbst das Thema vernachlässigt, kann hier der Druck extrem niedrig werden.«
Bei neueren Autos sind zwar Reifendruckkontrollsysteme vorgeschrieben. Das entbindet aber den Fahrer nicht von der Verantwortung, sich um den Reifendruck zu kümmern. »Jeder Reifen verliert nach und nach Luft, das lässt sich nicht zu 100 Prozent vermeiden«, so der Experte. Deshalb bleibt es beim Appell: »Spätestens nach jedem zweiten Tankstopp sollten Sie den Fülldruck prüfen und, wenn nötig, anpassen.« Informationen zum richtigen Druck für das unbeladene beziehungsweise das beladene Fahrzeug findet sich je nach Modell meist auf einem Aufkleber an der B-Säule der Fahrertür oder in der Tankklappe. Wichtig ist auch: Den Fülldruck immer am kalten Reifen prüfen!
Gerade auf nasser Fahrbahn kann die Profiltiefe beim Bremsen und bei der Kurvenfahrt den entscheidenden Unterschied machen. Dass die gesetzlich vorgeschriebene Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimeter im Blick auf die Sicherheit nicht ausreichend ist, scheint sich inzwischen herumgesprochen zu haben. Weniger als jeder tausendste Reifen im Check war so weit abgefahren. Fast drei Viertel (gut 74 Prozent) hatten fünf Millimeter oder mehr. Knapp elf Prozent waren unter vier Millimeter, darunter gut 2,5 Prozent unter drei Millimeter.
»Das ist insgesamt ein erfreuliches Bild«, sagt Christian Koch und schränkt gleichzeitig ein: »Man darf nicht vergessen: Untersucht wurden hier Fahrzeuge, die auf dem Weg zur Hauptuntersuchung waren. Und ein abgefahrener Reifen ist einer der Mängel, den auch der fahrzeugtechnische Laie sehr einfach feststellen kann.« Von den Ergebnissen des Reifenchecks vor der Hauptuntersuchung auf den Reifenzustand im »normalen Leben« zu schließen, ist aus Kochs Sicht deshalb nur bedingt zulässig. »Es zeigt sich aber wieder: Schon allein die Hauptuntersuchung als Pflichttermin sorgt dafür, dass Autofahrer zumindest alle zwei Jahre die offensichtlichsten Sicherheitsmängel beseitigen.« Das erklärt auch, warum gerade Reifenmängel mit einer Quote von etwa fünf Prozent in der Hauptuntersuchung keine allzu große Rolle spielen.
Appell an Autobesitzer: Um die Reifen kümmern
Unterm Strich steht am Ende des DEKRA-Reifenchecks die Bilanz: Viele Autobesitzer kümmern sich vernünftig um ihre Reifen - aber noch längst nicht allen scheint die Bedeutung wirklich bewusst zu sein. »Bei der Sicherheit sollte es keine Kompromisse geben«, meint der Unfallsachverständige und Reifenexperte Koch. »Und das fängt nunmal beim Reifen an.«