Medienkommunikation in Gütersloh, Manipulationsstrategien der Massenmedien

Noam #Chomsky, einer der wichtigsten #Intellektuellen der Gegenwart, hat eine Liste von Manipulationsstrategien der #Massenmedien postuliert. Das »Propagandamodell« wurde erstmals 1988 in Hermans und Chomskys Buch »Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media« dargestellt und bezog sich primär auf amerikanische Massenmedien. Es geht davon aus, dass bereits die Struktur der heutigen Massenmedien in kapitalistischen Gesellschaften eine objektive Berichterstattung von vornherein verhindere, insofern private #Medien, die in Konkurrenz zueinander stehen und auf Werbeeinnahmen oder staatliche Teilfinanzierung angewiesen sind, in einem Interessenkonflikt stehen. Das primäre Interesse privater Massenmedien könne nicht darin bestehen, die Bevölkerung möglichst umfassend und objektiv zu informieren. Stattdessen seien Medien als Unternehmen anzusehen, die ihren Lesern oder Zuschauern #Nachrichten als Ware verkaufen müssen.

Weiterhin würden auch die Leser oder Zuschauer selbst an die Werbekunden der Zeitung »verkauft«, da sich die Einnahmen für Werbung nach der Zahl der Rezipienten bemessen. Die Theorie stellt die These auf, dass große Medienkonzerne ein nicht verschwörerisch agierendes Propagandasystem bilden könnten, das fähig sei, ohne zentrale Steuerung einen Konsens im Interesse einer von den Autoren beschriebenen gesellschaftlichen Oberschicht herzustellen und die öffentliche Meinung über »Agenda Setting« und »Framing« entsprechend den Perspektiven dieser Oberschicht zu formen, während gleichzeitig der Anschein eines demokratischen Prozesses der Meinungsbildung und der Konsensfindung gewahrt bleibe. Gemäß dem Propagandamodell gibt es 5 Filter, die unerwünschte Nachrichten von der Bevölkerung fernhalten. Als Indiz ziehen die Autoren Lippmanns Hauptwerk »Öffentlichkeit« heran, in dem der Autor, gemäß Chomsky, sich nicht scheute, Propaganda als unentbehrlich für die #Demokratie darzustellen. Nach Chomsky sei das Denken auch liberal demokratischer #Intellektueller noch heute durch diese Doktrin Lippmanns gekennzeichnet. Inhalte würden demnach vor allem nach politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt (»Agenda Setting«) und eingeordnet (»Framing«): Kritische Perspektiven und Fragen würden aussortiert (»Gate Keeping«), spektakuläre, aber banale Informationen in den Mittelpunkt gerückt (»Ablenkung«).

Abgestellt wird auf die Eigentumsverhältnisse, die Einnahmequellen der Medien, die Quellen der #Nachrichten, »Flak« und Antikommunismus oder »Antiideologie« im Allgemeinen. Ideologiekritik ist, mit Adorno gesagt, »die kritische Form par excellence; und zwar, als immanente Kritik geistiger Gebilde, als Konfrontation dessen, was sie sind, mit ihrem Begriff«. Demgemäß sei Ideologiekritik, »als Konfrontation der Ideologie mit ihrer eigenen Wahrheit, nur soweit möglich, wie jene ein rationales Element enthält, an dem die Kritik sich abarbeiten kann«. Ohnmächtig naiv wäre es ihm zufolge daher, »etwa die sogenannte Ideologie des Nationalsozialismus« ebenso kritisieren zu wollen. Schon das Niveau der Schriftsteller Hitler und Rosenberg spottete jeder Kritik. Das ist witzig, im Sinne von »geistreich« und »amüsant«. Aber es ist auch elitistisch und verkennt die Realität. Darüber hinaus ist es nicht der Grund, aus dem eine Ideologiekritik in diesem Fall problematisch war. Denn das Buch war ein Bestseller. Und hätte man es gelesen und ernstgenommen, hätte man gewusst, was Hitler vorhatte. Was er – natürlich nicht alleine – realisiert hat, ist ja bekannt. Im Gegensatz zur Analytischen Philosophie räumt die Kritische Theorie der Philosophie eine praktische und zentrale Bedeutung für die Gesellschaft ein: Philosophie ist der »methodische und beharrliche Versuch, Vernunft in die Welt zu bringen«, ihre »wahre gesellschaftliche Funktion […] liegt in der Kritik des Bestehenden«, schreibt Horkheimer 1940 in seinem Aufsatz über »Die gesellschaftliche Funktion der Philosophie«.

Die Aufklärung wurde von einigen Philosophen als gescheitert betrachtet. Was sie übersehen: Die Realität. Dass sich der Zeitgeist sehr langsam wandelt, dass Menschen träge sind … dass es die Phänomene der Regression zur Mitte und der Homöostase gibt, dass Marx’ #Philosophie praktikabel und materialistisch ist – und am schlimmsten: Sie verstehen nicht die Natur des Menschen! Und die »10 80 10 Regel«. Außerdem, dass die Leute (vermeintlich) Besseres zu tun haben und mittlerweile Intellektualismus als Belästigung empfinden, weil er eben nicht Unterhaltung ist – jedenfalls nur für wenige. Oft ergeht sich Philosophie in #Epigonentum – dabei gehört zu wahrer Philosophie auch das ständig wiederkehrende Gefühl, gestern noch gar nichts gewusst zu haben. #Kritizismus ist essenziell, gilt aber heute als unfein, belästigend, schädlich, verdächtig, fragwürdig und mehr – was ihn im Grunde genommen jedoch bestätigt und erst Recht legitimiert und notwendig macht. Dabei hat es #Buddha schon vor zweieinhalbtausend Jahren auf den Punkt gebracht: »Buddhism in a nutshell: What is is, what is not, is not« – und Byron Katie hat eine Synthese aus dem Buddhismus und dem Sokratischen Dialog geliefert: Glück ist, der sein zu wollen, der man ist. Zu lieben, was ist. Jemand gilt heute schon als philosophisch gebildet, gar als Philosoph, wenn er in einem Gespräch einfach mal den Namen »Hegel« in den Raum wirft.

Im Grunde genommen ist #Namedropping eitel, aber möglicherweise notwendig. Denn wer selbst denkt, wird erst einmal nicht ernstgenommen. Man muss seine Gedanken durch ein vermeintliches Autoritätsargument legitimieren. Das tun selbst bekannte Philosophen. Man könnte sagen, wer nicht mehr zitiere, sondern zitiert werde, habe es geschafft. Aber was hat er geschafft? Und wenn man sich anschaut, wer heute alles so zitiert wird … und mit was … Denken ist das Entscheidende. Was hat ein Philosophiestudium denn zu bedeuten? Jedenfalls noch lange nicht, dass jemand auch denken kann. Wie man ja allenthalben sieht. Und ein Philosoph ist jemand, der philosophiert. So wie jemand, der Rad fährt, ein Radfahrer ist. Vielleicht kein professioneller, aber dennoch. Zumal früher »Dilettanten« und »Amateure« oft sogar noch mehr galten als Profis. Eigentlich gilt das nach wie vor, oder sollte gelten. Denn diese haben keinen Interessenskonflikt im Sinne von Chomskys Propagandamodell. »Ich war einmal auf einem Philosophieseminar in Heidelberg. Es sollte um Ken Wilber gehen. Es ging aber dann um die Postmoderne, genauer gesagt um den Dekonstruktivismus. Und es wurden Filme gezeigt, in denen Jacques Derrida mit einem Auto in der Gegen herumfuhr. Der Seminarleiter wedelte die ganze Zeit mit Ken Wilbers »Eros, Kosmos Logos« herum, ohne jedoch Wilbers Punkt begriffen zu haben. Zugegeben: Ich hatte ihn damals auch noch nicht begriffen. Ich mochte Wilber vor allem wegen seines Buches, in dem er den Krebstodseiner Frau beschrieben hat. Und die Teilnehmer diskutierten dann herum, ob man nicht von einer Post Postmoderne sprechen müsse. Das ganze war recht stupide«, so der Autor.

Die Manipulationsstrategien der Massenmedien nach Chomsky

  1. Die Strategie der Ablenkung

    1. Das erste Element der sozialen Kontrolle ist die Strategie der Ablenkung, die darin besteht, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den wichtigen Problemen und den von den politischen und wirtschaftlichen Eliten beschlossenen Veränderungen abzulenken, indem die Fluttechnik oder die Überschwemmungen fortlaufender Ablenkungen und unerheblicher Informationen überflüssig werden. Die Strategie der Ablenkung ist auch unerlässlich, um die #Öffentlichkeit daran zu hindern, sich für das wesentliche Wissen in #Wissenschaft, #Wirtschaft, #Psychologie, #Neurobiologie und #Kybernetik zu interessieren. Diese These vertritt auch Neil Postman.

  2. Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit behalten

    1. Behalte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die von echten Sozialen Problemen abgeleitet wird, gefangen von Themen ohne echte Bedeutung. Halte die #Zuschauer beschäftigt, ohne Zeit zum Nachdenken, zurück zum Bauernhof wie die anderen #Tiere (zitiert im Text »Stille Waffen für ruhige Kriege«).

  3. Probleme schaffen und dann Lösungen dafür anbieten

    1. Diese Methode wird auch als »Problem #Reaktion #Lösung« bezeichnet. Es entsteht ein Problem, eine »Situation«. die vorgesehen ist, um eine gewisse Reaktion der Öffentlichkeit zu verursachen, um dies der Auftraggeber der Maßnahmen zu sein, die angenommen werden sollen. Zum Beispiel das Überlassen oder Verstärken der städtischen Gewalt oder das Organisieren blutige Anschläge, um die Öffentlichkeit darin zu unterstützen, Sicherheit und #Politik auf Kosten der Freiheit zu verlangen. Oder auch die Schaffung einer #Wirtschaftskrise, um die Rückführung der sozialen Rechte und die Abschaffung der Öffentlichen Dienstleistungen als notwendiges Übel akzeptabel erscheinen zu lassen.

  4. Die Strategie der kleinen Schritte

    1. Um eine unannehmbare Maßnahme zu akzeptieren, muss man sie nach und nach über Jahre hinweg wie stetige Tropfen anwenden. So wurden radikal neue (Neoliberalismus) sozioökonomische Bedingungen in den Jahrzehnten der 80er und 90er Jahre verhängt: #Mindeststaat, #Privatisierung, Unsicherheit, Flexibilität, Massenarbeitslosigkeit, Löhne, die keine menschenwürdigen #Einkommen mehr garantierten, so viele Veränderungen, die zu einer Revolution führen würden, wenn sie alle auf einmal umgesetzt würden.

  5. Die Strategie des Aufschiebens

    1. Eine andere Möglichkeit, eine unbeliebte Entscheidung zu akzeptieren, ist, sie als »schmerzhaft und notwendig« darzustellen, indem sie die öffentliche Akzeptanz für eine zukünftige Anwendung erhält. Es ist einfacher, ein zukünftiges Opfer zu akzeptieren, als ein sofortiges Opfer. Erstens, weil der Aufwand nicht der sofortige Einsatz ist. Zweitens, weil die Allgemeinheit, die #Masse, immer die naive Hoffnung hat, dass »alles morgen besser wird« und dass das erforderliche Opfer vermieden werden könnte. Das gibt der Öffentlichkeit mehr Zeit, sich an die Idee des Wandels zu gewöhnen und sie resigniert zu akzeptieren, wenn es an der Zeit ist.

  6. Wende dich an die Öffentlichkeit wie an die #Kinder

    1. Der Großteil der direkten Werbung an die große Öffentlichkeit verwendet Reden, Themen, Charaktere und eine besonders kindliche Intonation, die oft der Schwäche nahe kommt, als ob der Zuschauer ein paar Jahre altes Geschöpf oder ein geistiger Idiot wäre. Je mehr man versucht, den Zuschauer zu täuschen, desto mehr neigt man dazu, einen kindischen Ton zu benutzen. Warum? »Wenn jemand an eine Person richtet, als ob sie 12 Jahre alt oder jünger wäre, dann wird sie aufgrund der Suggestionabilität wahrscheinlich zu einer Antwort oder Reaktion tendieren, auch ohne kritischen Sinn wie die einer Person von 12 Jahren oder jünger« (siehe »Stille Waffen für ruhige Kriege«).

  7. Emotion statt Vernunft

    1. Emotionen zu nutzen, ist eine klassische Technik, um einen Kurzschluss über eine rationelle Analyse und letztendlich den kritischen Sinn des Individuums hervorzurufen. Außerdem ermöglicht es die Nutzung des emotionalen Registers, die Tür zum Unbewussten zu öffnen, um Ideen, Wünsche, Ängste und Zwänge zu »implantieren« oder gegebenenfalls zu verhalten, wenn sie nicht erwünscht sind.

  8. Halte die Öffentlichkeit in Ignoranz und #Mittelmäßigkeit

    1. Die Öffentlichkeit kann nicht verstehen, welche Technologien und Methoden für ihre Kontrolle und #Sklaverei verwendet werden. Die Qualität der Bildung, die den unteren sozialen Klassen vermittelt wird, muss so arm und mittelmäßig wie möglich sein, damit zwischen den unteren und den oberen Klassen eine Distanz der Ignoranz herrscht, die von den unteren Klassen unmöglich zu überwinden ist.

  9. Die Zuschauer dazu anregen, mit Mittelmäßigkeit zufrieden zu sein

    1. Die Zuschauer dazu zu bewegen, zu glauben, dass es angesagt sei, dumm, vulgär und ignorant zu sein. Gütsel ergänzt: ordinär und asozial (mangelnde Zivilisiertheit).

  10. Stärkung der Selbstschuld

    1. Den Menschen glauben lassen, dass er allein der Schuldige seines Unglücks sei, weil er unzureichende Intelligenz, Fähigkeiten oder Bemühungen hat. Anstatt sich gegen das Wirtschaftssystem zu wehren, entwertet sich der Individuum selbst und beschuldigt sich selbst, was wiederum einen depressiven Zustand hervorbringt, dessen Wirkung die Hemmung seines Handelns ist. Und ohne Handeln gibt es keine Revolution.

  11. Kenne die Menschen besser als sie sich selbst kennen

    1. In den vergangenen 50 Jahren hat der schnelle Fortschritt der Wissenschaft zu einer wachsenden Kluft zwischen den Kenntnissen der Öffentlichkeit und denen geführt, die von den beherrschenden Eliten besessen und verwendet werden. Dank Biologie, Neurobiologie und angewandter #Psychologie hat das »System« ein fortgeschrittenes Wissen über den Menschen in seiner physischen und psychischen Form erhalten. Das System hat es geschafft, das gewöhnliche Individuum besser kennenzulernen, als es sich selbst kennt. Das bedeutet, dass das System in den meisten Fällen größere Kontrolle und größere Macht über die einzelnen ausübt, als das, was das einzelne selbst ausübt.

Diese Punkte könnte man noch erweitern und ergänzen – beispielsweise um das Element der Unterhaltung: »Mache aus Information Unterhaltung – damit kann man den Leuten alles unterschieben« – und »Sorge für eine Informationsflut, in der dann Wichtiges untergeht« – das Konzept der Desinformation durch Informationsüberflutung mit Nonsensinformation, Nullinformation, Nichtinformation, Pseudoinformation – eine Falschinformation ist dann nicht mehr nötig. Dass das Medium die Botschaft ist, spielt auch mit hinein und ist essenziell: »Benutze die richtigen Medien, denn das Medium ist die Botschaft«. Dessen sind sich diejenigen, die so agieren, freilich schlechterdings nur teilweise bewusst. Im Sinne Schopenhauers handeln sie instinktiv so.

Thomas Fischer, ehemals Vorsitzender #Richter am Zweiten Strafsenat des Bundesgerichtshofs, hat dazu auch was Interessantes gesagt, was man noch erweitern könnte und daraus eine These ableiten könnte – wenn alles um die Menschen herum vermeintlich im #Chaos versinkt, was bleibt dann noch? Die vermeintlich Optimierung des eigenen Körpers. Die Optimierung des Geistes gilt aus besagten Gründen als Belästigung und als abzulehnen, verdächtig, zu mühsam und weiteres. Ein weiterer Punkt sind unvollständige Informationen, die aber vollständig wirken: Wichtiges einfach weglassen.

Ephraim Kishon hat das Thema ebenfalls mehrfach aufgegriffen, unter anderem so »Was uns die Banken heute erzählen: Wir werden ›finanziert‹ – ein Hauch der Hochfinanz umweht uns«. Das ist der heutige Kapitalismus – ein Lottospiel – das Versprechen: Jeder kann gewinnen. Freilich nicht alle. Geschenkt. Der »Manchester #Kapitalismus« wurde entschärft, somit ist das Klassenbewusstsein durch die Verhältnisse geschwunden.

Das Kernproblem ist jedoch dasselbe. Auch das Abstellen auf Pathos und Religion fehlt in Chomskys Aufzählung. Außerdem Tu quoque Argumente, Whataboutism, Trivitalitätstricks, Strohmannargumente – eigentlich das volle Programm der Eristik, Dialektik und der Rhetorik. Hinzu kommen im Zeitalter der digitalen Medien Algorithmen, die im Grunde genommen das abbilden, was sowieso stattfindet. Bekanntes ist bekannt, weil es bekannt ist. Beliebtes ist beliebt, weil es beliebt ist. Harald Lesch bezeichnet die Algorithmen als Beleidigung seines Intellekts. Aber wie sollte man sonst filtern? Dank der Informationsflut müssen die Inhalte irgendwie kuratiert und selektiert werden. Die Kriterien des intellektuellen Gehalts und der Sinnhaftigkeit sind schwierig umzusetzen. Und die es umsetzten, wären gegebenenfalls auch fraglich. Mit der derzeitigen »Künstlichen Dummheit« und auch mit der natürlichen Dummheit sind sie jedenfalls nicht umzusetzen. Umso wichtiger ist es, sich all dessen bewusst zu sein.

Foto: Christian Schröter AGD, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen

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