Frankfurt (ots) Die Lieferketten sind bis zum Äußersten angespannt und werden das auch über das Jahr hinweg bleiben, erwartet Christian Kullmann, Präsident des Branchenverbands VCI. Und wenn dies schon für die Chemieindustrie gilt, die fast alle Branchen beliefert, drohen anderen Unternehmen die Ketten erst recht zu reißen. Schon jetzt berichten laut Industrieverband DIHK 88 Prozent der befragten Unternehmen hierzulande aufgrund der Lieferengpässe über höhere Einkaufspreise. Und ein baldiges Ende der Malaise ist nicht in Sicht.
Auch die Halbleiterknappheit, die zahlreiche Autobauer zur Drosselung ihrer Produktion zwingt, dauert länger als anfangs erwartet. Offengelegt worden ist die Empfindlichkeit von Produktion und Lieferketten durch die Coronakrise. Auch Letztere hätte mit den in vielen westlichen Ländern sehr hohen Impfquoten bereits besser unter Kontrolle sein sollen. Doch die Delta-Variante hat einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Die Inzidenzen steigen auf allen Erdteilen. In einigen US-Bundesstaaten wie Alabama laufen die Krankenhäuser erneut voll. In Fernost gibt es neuerliche Lockdowns, und wie es nächstes Jahr weitergeht, bleibt ungewiss.
Die meisten Unternehmen stellen die Probleme in ihren Lieferketten noch als temporär dar. Doch wer kann angesichts der anhaltenden Unsicherheiten von einer »vorübergehenden Herausforderung« sprechen? Wahrscheinlicher ist, dass es dauerhaft neue Lieferketten braucht, um nicht ständig in Engpässe hineinzulaufen.
Überarbeitet werden müssen die Lieferantenbeziehungen in Teilen ohnehin. Die wachsenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Lieferketten von Seiten der Investoren, der Regulierer und der Politik fordern hier einen bewussteren Umgang. Die Krise zeigt derweil, dass der Blick darauf nicht ausreicht, um externe Schocks, die regional in unterschiedlicher Ausprägung auftreten können, abzufedern. Eine Abkehr von der Globalisierung ist keine valide Option. Dass sich bestimmte Produktionscluster nicht einfach verpflanzen lassen, musste schon Ex-US-Präsident Donald Trump feststellen.
Neue Lieferkettenmodelle müssen vor allem weniger auf Kante genäht sein. Eine Option wäre, sich Lieferketten mit mehr Spiel zu gönnen. Das gäbe zumindest mehr Zeit, ehe eine Kette reißt. Alternativ ließen sich zusätzliche Lieferketten aufspannen. Beide Optionen sind zwar kostspielig. Die Unternehmen kommen an neuen Modellen aber nicht vorbei. Wie diese aussehen werden, lässt sich noch nicht sagen. Dass sie teurer werden, dürfte indes feststehen.