Rainer Schorr über die Projektentwicklerstudie von bulwiengesa für den PRS FamilyTrust, Pfingsten 2022
Die politische wie wirtschaftliche Weltlage ist, nach dem bisherigen Abflauen der Corona Pandemie in Europa, mit dem Krieg in der Ukraine in eine weitere Phase der Instabilität getreten. Deutschland ist mit seinem finanziellen »triple A rating« von Standard & Poor, mit seiner robusten Wirtschaft und konstanten Politik der »sichere Hafen« im bisweilen krisengeschüttelten Europa.
Besieht man, ausgehend von dieser Lage, die aktuelle Neubautätigkeit, so lassen sich allerdings erste Verschiebungen und Veränderungen erkennen. Nach Zahlen von buliwengesa und BF.direkt trübte sich der gesamtdeutsche Projektentwicklermarkt im ersten Quartal 2022 nach einem über zehnjährigen Hoch erstmalig ein. In den sieben größten Städten, von Berlin über Frankfurt am Main bis Stuttgart, wurde ein Rückgang der Neubauvolumen von 3,6 Prozent verzeichnet. Insbesondere die Zahlen für den Wohnungsneubau, trotz eindeutiger politischer Bekundungen für mehr Wohnungen zu sorgen, schrumpfte gar um 7,6 Prozent. Diese deute auf eine Trendwende oder gar einen langfristigen Wandel und die Verschiebung von einem Kapitalmarkt zu einem Nutzermarkt hin.
Bekanntermaßen erschwerten Engpässe bei Lieferketten, der Fachkräftemangel und steigende Materialkosten, aber auch die zunehmende Nichtverfügbarkeit von Baugrundstücken den deutschen Projektentwicklungsmarkt schon zu Zeiten von Corona. Es gesellt sich eine steigende Inflation in Kombination mit explodierenden Baukosten hinzu. Aus Sicht der Banken und Finanzinstitute sind auch erste Restriktionen in der Kreditvergabe gegenüber Projektentwicklern zu verzeichnen, was an Forderungen nach höheren Eigenkapitelanteilen zu erkennen ist. Ein deutlich angestiegenes Zinsniveau tut sein Übriges, um die Finanzierungskosten in die Höhe zu treiben.
Wie könnte für die deutschen Developer eine Exit-Strategie aus dieser Zwickmühle aussehen? Rainer Schorr, Geschäftsführer der Berliner PRS Family Trust erkennt einen zunehmenden Drang ins Umland, der quasi alle Ballungszentren in Deutschland betreffe und von dem die Hauptstadtregion erfasst sei. »In den berlinnahen Gemeinden gibt es ein nahezu ungebrochenes Interesse an Immobilien unterschiedlichster Nutzungsarten«, berichtet Schorr. Nach dem gemeinsamen Landesentwicklungsplan von Berlin und Brandenburg konzentrieren sich die Vorhaben innerhalb der Grenzen des durch die Bahntrassen vorgegebenen Siedlungssterns. Über regionale und sektorale Trends hinaus – wie steigende Volumina bei Logistikprojekten – prognostiziert der CEO der BF.direkt AG Franco Fedele, dass der Projektentwicklermarkt bald wieder in ruhiges Fahrwasser kommen werde, auch wenn die Zinsen kurzfristig noch weiter steigen würden.
In den sieben A-Städten Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und München ging das Trading-Development-Volumen (also Entwicklungen mit Verkaufsabsicht für das Projekt) nach den Zahlen von bulwiengesa im vergangenen Jahr über alle Segmente auf 24,4 Millionen Quadratmeter zurück. Gegenüber dem Höchstwert von 2019, als noch 28,5 Millionen Quadratmeter in Entwicklung waren, bedeutet dies einen Rückgang von über 14 Prozent. Führender Entwicklungsstandort bleibt Berlin mit 16,6 Millionen Quadratmeter vor München (7,8 Millionen Quadratmeter), Hamburg (7,2 Millionen Quadratmeter), Frankfurt am Main (5,1 Millionen Quadratmeter), Düsseldorf (3,6 Millionen Quadratmeter), Köln (3,8 Millionen Quadratmeter) und Stuttgart (2,2 Millionen Quadratmeter). Knapp ein Drittel ein Drittel der Projektfläche, nämlich 22,1 Millionen Quadratmeter entsteht im weiterhin dominierenden Wohnsegment. 15,0 Millionen Quadratmeter sind als Bürofläche kalkuliert, im Segment Handel kommen weitere 1,9 Millionen Quadratmeter und für Hotels 2,7 Millionen Quadratmeter Projektfläche hinzu.
Bei aller Zuversicht für den deutschen Projektentwicklermarkt empfiehlt Rainer Schorr einen Strategie-Mix insbesondere über die viel nachgefragten A Städte hinaus. Seine Perspektive geht über die Zentren hinaus in das Umland der Ballungsräume. Dort steckt für Schorr das Potential für neue Geschäftsfelder und Nutzungen.
»Wie häufig erfordert dies ein jahrzehntelanges Wissen um Städte und Standorte sowie ein diversifiziertes Portfolio einschließlich einer weiten Streuung, welches all diese unterschiedlichen Qualitäten abbildet und verkörpert«, sagt Rainer Schorr »Zudem gelte es, die Baukosten und den Planungsaufwand wo möglich zu reduzieren, zum Beispiel durch eine stärkere Zusammenarbeit und privaten Baulandentwicklern und Kommunen und so dem in den Ämtern vorherrschenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.«