Gütersloh, Nachforschungen zum Verbrecher Hermann Schmidtkunz, der Weiße Tod
- Vor 70 Jahren trieb der »Weiße Tod« sein Unwesen in Gütersloh
Im Sommer 1945 trieb einer der gefährlichsten Verbrecher der Nachkriegszeit sein Unwesen in Gütersloh: Im weißen Anzug samt Gütersloher Stadtwappen trat Hermann Schmidtkunz als »Polizeichef« auf, denunzierte Bürger, führte rechtswidrige Verhaftungen und Beschlagnahmungen durch – als »Informator der Stadt Gütersloh«, als den ihn eine offizielle Bescheinigung ausweist. Der ihm von der #Bevölkerung daher eingebrachte Spitzname »Weißer Tod« bekommt im Jahr 1976 eine traurige Wahrheit, als er zwei junge Männer bestialisch ermordet. Rudolf Herrmann hat das Leben des Verbrechers mithilfe von Akten aus dem #Stadtarchiv nachgezeichnet und sucht nun weitere Zeitzeugen.
Klaus Baumann war 5 Jahre alt, seine Nachbarin Hilde Pahl war 16 Jahre alt, als Hermann Schmidtkunz im Sommer 1945 mit einem weißen Anzug bekleidet den weißen Cabrio Pkw »Adler Junior« des Bäckermeisters Wilhelm Baumann rechtswidrig beschlagnahmte. Ihr Vater Ludwig Westerhelweg und ihr Großvater Hermann Ostermann hätten mit Gewalt versucht, die #Beschlagnahmung zu verhindern, so die 86 jährige Zeitzeugin. Gegen das brutale Vorgehen von Schmidtkunz seien sie aber machtlos gewesen. Wilhelm Pahlke, heute 88 Jahre alt, wird von Hermann Schmidtkunz im Sommer 1945 sogar zur Polizeiwache gefahren, als seine Zündstange vor ebendem Cabrio landet, in dem Hermann Schmidtkunz im weißen Anzug am Steuer sitzt. Nach einer Vernehmung wird der Jugendliche bald wieder freigelassen.
Der »Weiße Tod« führte auch weitere rechtswidrige Beschlagnahmungen und Verhaftungen in #Gütersloh durch, ist sich Rudolf Herrmann sicher. Ende Mai 1945 bietet Hermann Schmidtkunz der Stadt Gütersloh seine Dienste als Informator an, er will ehemalige #Nationalsozialisten bei der Militärregierung denunzieren und damit zur Aufklärung des von diesen Personen begangenen Verbrechen beitragen. »Das lag auch im Interesse des damaligen Bürgermeisters Paul Thöne«, erklärt Rudolf Herrmann. Der Bürgermeister habe sich auf eine Bescheinigung aus Schmidtkunz‘ vorherigem Aufenthaltsort Papenburg verlassen und keine weiteren Untersuchungen zu dessen Vergangenheit eingeleitet. »Ich habe das Durcheinander zu der Zeit ja selber mitbekommen. Es gab keine Zeit für Nachforschungen«, so der Hobbyforscher. Dabei begeht Hermann Schmidtkunz schon vorher Verbrechen. Als 20 Jähriger wird er erstmals wegen Betruges verurteilt. Später unter anderem auch wegen #Unterschlagung, Urkundenfälschung und Diebstahl. Bis April 1945 ist er im Konzentrationslager Esterwegen bei Papenburg inhaftiert. Dann wird er von den Alliierten freigelassen und gelangt später nach Gütersloh.
Aus Dokumenten aus dem Stadtarchiv geht hervor, dass Paul #Thöne bereits im August das Vertrauen an Schmidtkunz wieder verliert. Ein Brief an die Militärregierung in #Wiedenbrück dokumentiert, dass der Bürgermeister Informationen über sein Vorleben einholen will. Daraufhin wird Schmidtkunz am Nachmittag des 14. August 1945 verhaftet. Im Februar 1947 wird er wegen vierfachen Mordes an Mitgefangenen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Das Urteil wird aber mangels Beweisen wieder aufgehoben. 1955 bezeichnet ihn eine unbekannte Lokalzeitung als »den gefährlichsten Verbrecher der Nachkriegszeit«, #Strafanzeigen aus dem ganzen Bundesgebiet würden vorliegen. Knapp 20 Jahre später bekommt sein Name »Weißer Tod« eine traurige und wörtliche Bedeutung: Am 20. Januar 1976 erschlug er den 18 jährigen Horst Seidel, den er als Anhalter von Stuttgart nach Gevelsberg mitnimmt. Sein 2. Opfer, den 18 jährigen Hans Peter Stark, ermordete er kurz vor seiner Verhaftung am 1. Februar 1976. Er fesselte ihn mit Metallketten und Plastikschnüren, klebte ihm Pflaster ins Gesicht und erstickte ihn. Anschließend verstümmelte er die #Leiche. Vor der Polizei gab er an, sich für den gleichen Abend mit 2 jungen Männern verabredet zu haben, die er auch umbringen wollte.  Kein halbes Jahr nach der Verhaftung, am 18. Juni 1976, starb er in Hagen.
»Bei der Recherche hat mich vor allem ein Lebenslauf aus dem Jahr 1949 beeindruckt«, erzählt Rudolf Herrmann. Es sei der Rechtfertigungsversuch eines Schwerverbrechers, dem man nur einen kleinen Bruchteil glauben dürfe. Unter anderem bezeichnet sich Schmidtkunz darin als »Gegner aller Gewalt«. Der Lebenslauf und weitere Dokumente sind im Stadtarchiv einsehbar.