#Gedanken zum Osterfest 2023, wie am Ende einer Durststrecke, wie das Durchatmen in frischer Luft
Als ich 1995 von meinem ersten Religionslehrer das Liedblatt »Wie ein Fest nach langer Trauer« (EG 666) in die Hände bekam, konnte ich – wie unsere gesamte 4. Klasse – mit diesem Text nicht allzu viel anfangen und ich wurde mit der metaphorischen Sprache nicht wirklich »warm«. Heute ist es eines meiner liebsten #Osterlieder, wenngleich ich es zu diesem Anlass noch nie im Gottesdienst gehört oder gesungen habe. Aktueller als in diesem Jahr könnte es jedoch nicht sein. Ein Fest, das wir nach der langen Passionszeit im Bewusstsein unseres eigenen Leidens und der Schmach von Jesus, welche am Karfreitag ihren Höhepunkt am Kreuz zu Golgatha gefunden hat, mit Erstaunen und in dem Unglauben über seine Auferstehung feiern.
Wenn wir aber versuchen, den Sinn des Ostertages zu verstehen, kann kaum ein anderer Wortlaut als der von Jürgen Werth nähere Auskunft geben. Heute ist es Zeit für diese im Kehrvers genannte Versöhnung, unter der wir uns als Kinder damals nichts vorstellen konnten. »So muss der wahre Friede sein«. Wie nötiger als heute ist »Vergeben und Verzeihen« – auch wenn wir uns kaum ausmalen können, wie die Diplomatie im Krieg der #Ukraine aussehen soll. Wie sind ratlos und gefesselt von den Bildern und der Ohnmacht.
Möglicherweise doch so: »Wie ein Brief nach langem Schweigen« – denn gerade der Westen hat bislang kaum Initiative ergriffen, den Kontakt nach Moskau aufzunehmen und diese erdrückende Stille in den Verhandlungskanälen zu durchbrechen. »Wie ein Wort von toten Lippen«, welche angesichts der militärischen Logik und der lauten Explosionen von Bomben und Raketen lange verstummt sind. Und was bedeutet dieser Sonntag nun für unser ganz persönliches Leben? »Wie die Liebe, wie Gott selbst, das wahre Licht« – wo ist also der Messias, der den Stein vom Grab wegrollte und erschien, nachdem man bereits nicht mehr an all seine Prophezeiungen glaubte, die seine Rückkehr in die Ewigkeit vorhersagten? »Frischer Tau auf dürrem Land« – so fühlt es sich an, wenn wir uns zurufen: Christus ist auferstanden! Und so können wir auch die Botschaft spüren, welche er uns verheißt. »Wie ein Blatt an toten Zweigen« – ja, wie oft ist auch in unserem Alltag die Luft raus und alle Sorgen haben die aufkeimende und befreiende Zuversicht erstickt und erdrückt. Da ist alles wie gelähmt, jede Vitalität scheint weg. Und kaum ein Pflänzchen grünt mehr.
Wenn dann solch »ein unverhoffter #Gruß« aus dem Nichts eintrudelt, Zeichen von Freunden oder Nächsten, die wir nicht ersehnt hatten und die uns ihre Hand reichen, können wir vom Boden hochkommen und müssen nicht in der Tiefe bleiben. Wer die Täler nicht sieht, wird kaum zum Gipfel hinaufblicken können. Gott offenbart sich erst, wenn wir nicht mehr mit ihm rechnen. Auch Jesus hatte am Kreuz zunächst das Vertrauen verloren, ehe er die Sinnhaftigkeit der Osterparabel erkannte. Daher ist sie auch eine Aufforderung, im Dasein achtsamer die kleinen Signale der Solidarität Gottes wahrzunehmen, indem wir nicht über die Gesten menschlicher Verbundenheit wegsehen, die uns scheinbar allzu selbstverständlich und ungewürdigt zugehen. In den Momenten der Ruhe wird uns bewusst, dass wir ihn im Stress des Alltags übersehen haben. Und auch, wenn uns die Not bereits übermannt hat, ist es eben nicht zu spät, noch Ausschau zu halten. »Wie ein Schlüssel im Gefängnis, wie in Seenot ›Land in Sicht‹« – gerade in größter Bedrängnis erlebte manch Verfolgter schon Errettung und Erlösung, die auf leisen Sohlen daherkommt.
Seine Werkzeuge sind die Menschen und die ganze Schöpfung, durch die er sich uns ausdrückt und erfahrbar werden lässt. Dankbarkeit für all die Gnade und Bereitschaft der Feinde, unsere ehrliche Bußfertigkeit zu schätzen. Ostern ist das Fest vom Neuanfang, losgelöst aus Sünden und Schuld. Christus befähigt uns zur Nachsicht gegenüber uns und Anderen. Kein bloßes Vergessen, sondern der Beginn fruchtbringender Verständigung und Reue. Das wünsche ich all jenen, die sich momentan in den globalen und privaten Konflikten ohne Abstriche hart gegenüberstehen. Der #Segen möge auf allen Bestrebungen der Übereinkunft und des Gesprächs liegen, das zum gegenseitigen Verständnis und einem Kompromiss führt, welcher sich allein an der Vermeidung weiterer Tränen und Rachsucht orientiert. Nicht das eigene Interesse soll dabei leiten, sondern nur das Schicksal der Unterdrückten und der Kummer der Instrumentalisierten. Neugierige und offenherzige Augen für das ein oder andere Osterwunder – viel Freude beim Entdecken, befreit von Schmach und Pein!
Dennis Riehle, Laienprediger und Seelsorge